Das Grab im Mühlbach
Wenige Meter nördlich der Ortschaft Zogenreuth,
kurz hinter dem Zusammenfluss des Fenkenwaldbaches, der auch Lohbach genannt
wurde und von Eibenstock (heute Truppenübungsplatz Grafenwöhr) her kam und des
Dammelsbaches, stand einst die Zogenreuther Mühle; sie könnte etwa so
ausgeschaut haben:
In der schrecklichen Zeit des Dreißigjährigen
Krieges (1618-48) zogen wieder einmal räuberische Horden durch unsere Gegend.
Diesmal waren es die Schweden, denen ein ganz besonderer Ruf voraus ging. Die
Zogenreuther waren wie die meisten Menschen der kleineren Ortschaften in die
umliegenden Wälder geflohen, um sich und zumindest einen Teil ihrer beweglichen
Habe in Sicherheit zu bringen. Auch die alte Mühle war in jenen unseligen Tagen
längst von ihren Bewohnern verlassen, nur der alte Müller hauste noch in
seiner Kammer.
Bald bemächtigte sich eine Soldatenhorde auch der einsamen Mühle. Dabei war
den Burschen die versteckte Lage gerade recht, denn von hieraus konnten sie
unbemerkt zu ihren Raubzügen ausschwärmen und hierher ebenso heimlich das
zusammengestohlene Gut bringen.
Wie es unter Soldaten oft üblich sein soll, so wurden auch in der Zogenreuther
Mühle häufig Zechgelage veranstaltet und bis tief in die Nacht hinein
gespielt, gesungen und getrunken. In einer mondhellen Nacht ging es in der alten
Mühle besonders lebhaft zu, und unter den Kriegsknechten herrschte eine auffällige
Unruhe. Sie lärmten, fluchten und stritten lautstark miteinander. Da ertönte
plötzlich ein durchdringendes Trompetensignal von ferne her. In wilder Hast drängten
die Soldaten aus der Mühle, stellten sich in Haufen zusammen und eilten bald
mit Sack und Pack davon. Das Rumoren und Trampeln der Stiefel verlor sich auf
dem alten Mühlenweg nach Degelsdorf.
In seiner Kammer lauschte der alte Müller gespannt in die plötzliche Stille.
Da er nichts mehr hörte, glaubte er, dass alle Soldaten abgezogen seien und
wollte schon nachsehen. Doch auf einmal waren aus der Stube nebenan zwei
wutentbrannte Stimmen zu hören. Harte Flüche und grässliche Verwünschungen
wurden ausgestoßen. Anscheinend stritten zwei beim Aufbruch Zurückgebliebene um
noch vorhandene Schätze
aus Gold und Geld.
Mit einem Male jedoch verstummten die Streitenden. Der alte Müller hörte nur
noch das Rollen und Klappern von Würfeln, und dazwischen ab und zu einen
verhaltenen Fluch. Plötzlich zerriss ein markerschütternder Schrei die trügerische
Ruhe der Nacht. Ein dumpfer Fall, Todesröcheln, und wieder die große
unheimliche Stille. Den Müller erfasste ein ahnungsvolles Grausen. Unbeweglich
und leichenblass stand er in der Mitte seiner kleinen Kammer, als die Tür
aufgerissen wurde und ein baumlanger, wildaussehender Soldat eintrat.
Blutspritzer an dessen Händen und Kleidung zeugten von seiner furchtbaren Tat.
Drohend befahl er dem Müller mitzukommen. Dann führte er ihn über den nächtlichen
Hof zum Bach. Hier musste der Alte den Mühlbach umleiten und dann im
trockengelegten Bett eine Grube ausschaufeln. Damit es schneller ging, langte
der Mörder unter Ausstoßen wilder Flüche mit zu. Zuletzt schleppte der
Kriegsknecht seinen getöteten Kameraden herbei und warf ihn in das ausgehobene
Grab im Bachbett. Durch den Waffenrock sickerte das Blut, und im fahlen
Mondlicht erkannte der Müller den Ermordeten: es war der fremde Offizier und
Anführer der Gruppe.
Der Mörder befahl, die Grube schnellstens zuzuwerfen und den Mühlbach wieder
in sein normales Bett zu leiten. Den Müller aber ließ er schwören, nichts von
all dem, was er in dieser Nacht gehört und gesehen hatte, zu verraten. Dann
holte der Soldat das Pferd seines umgebrachten Vorgesetzten aus dem Stall, belud
es mit einem schweren Sack, aus dem metallenes Klingen kam, schwang sich auf das
Ross und ritt eilends seinem Haufen nach.