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Die
Wilde Jagd im Fenkenwald
Ein
Bauer aus Reichenbach, nennen wir ihn Girgl, besuchte einmal seine Verwandten im
etwa 9 km entfernten Marktflecken Kirchenthumbach. Nach einer kräftigen
Brotzeit, zu der auch eine Maß und zur besseren Verdauung eine paar "Selberbrennte"
gehörten, trat der Girgl bei Einbruch der Dunkelheit den Heimweg an. Rund zwei Stunden Fußmarsch lagen vor ihm.
Nach ein paar Kilometern erreichte der Girgl den als unheimlich berüchtigten
Fenkenwald, von dem es hieß, dass es dort „umging“. Der Reichenbacher ließ
sich jedoch nicht beirren und ging mit raschen Schritten dahin, denn der Weg war
ihm bei Tage ja wohlbekannt, und so leicht konnte man einem kräftigen
Bauernburschen nicht Angst machen. Doch zu seinem Erstaunen verlor Girgl im
Waldstück, das man „beim Toten“ nannte, den Weg. Unglücklicherweise schob
sich gerade eine Wolke vor den Mond und ließ es stockdunkel werden. Kurz
entschlossen marschierte der Bauernsohn ein Stück zurück, um wieder auf die
richtige Trasse zu kommen, was ihm auch gelang. Doch „beim Toten“ verlief er
sich wieder, und auch beim dritten Versuch erging es ihm nicht anders.
Im gleichen Moment, als er mit einem entsetzten Kopfschütteln sein abermaliges
Fehlgehen feststellen musste, fing das in dieser Gegend in großer Zahl
vorhandene Wild lautstark an sich zu rühren.
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Rehe, Hirsche, Wildsäue, Füchse,
Raben, Nussgackl (Eichelhäher), Uhus und anderes Waldgetier begannen aufgeregt und
aufgeschreckt wie in Todesangst zu schreien. |
Dazu
blitzte, donnerte und hagelte es, sozusagen aus heiterem Himmel, und in der Luft war ein Sausen und Brausen zu hören
wie sonst nur bei einem kräftigen Sturm. Da wusste der Girgl, dass die Wilde
Jagd Wotans im Anrücken war.
Wie allgemein bekannt gab es nur dann Rettung, wenn man sich mit dem Gesicht
nach unten auf den Erdboden warf; Neugierige, die das nächtliche Spektakel
sehen wollten, fand man am nächsten Morgen mit gebrochenem Genick und
verdrehtem Hals grässlich verstümmelt irgendwo im Wald tot liegen.
"Die Wilde Jagd" von Peter Nicolai Arbo
(1831-1892)
Der Grigl schmiss sich deshalb sofort „näslings“ in eine Furche und drückte
sein Gesicht in den Waldboden. Unmittelbar neben und über sich hörte er
Pferdegetrampel und -gewieher, Peitschenknallen und immer wieder von allen
Seiten ein lautes „Hußtata!“ - „Hidata!“ - „Holdata!“ - „Hoßtata!“
Nahes Hundegekeuche und -gebell vermischte sich mit den übrigen unheimlichen
Geräuschen, und eine heißere menschenähnliche Stimme schrie „Jagt ihn!
Fasst ihn!“
Der zu Tode erschrockene Girgl drückte seinen Kopf noch fester
ins feuchte Moos und dachte, dass es jetzt um ihn geschehen sei und er sein
geliebtes Reichenbach nie mehr lebendig sehen werde.
So schnell und schlagartig wie sie gekommen war, war sie auch vorbei, die Wilde
Jagd im Fenkenwald. Als es wieder ruhig war, fast unheimlich ruhig nach dem
ganzen Getöse, stand der Girgl vorsichtig und nach allen Seiten blickend
langsam auf. Im Mondlicht erkannte der schweißgebadete Reichenbacher, dass er
doch auf dem richtigen Weg war und er sich vorhin wohl hatte täuschen und
verwirren lassen. Hastig und ohne sich noch einmal umzuschauen rannte Girgl heim
in sein Dorf, wo er nach einer guten Stunde zwar ungeheuer erschöpft, aber
sonst doch wohlbehalten ankam.
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