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Johann Sebastian Bach
Also hat Gott die Welt geliebt (Kantate, BWV 68) |
St. Georg
in Schlaggenwald
Weithin
sichtbar, gleichsam als Wahrzeichen der Stadt, steht die dem hl. Georg geweihte
Kirche auf einer Anhöhe in Schlaggenwald.
„Die
St. Georgskirche war durch ihre örtliche Lage und kirchliche Stellung der
religiöse Mittelpunkt für die Bürger Schlaggenwalds und der umliegenden
Ortschaften. Am Sonntag strömten die Gläubigen festlich gekleidet zur heiligen
Messe … Vorher und nachher nützten sie die Gelegenheit zum Austausch von
Neuigkeiten und zur Unterhaltung.“ (2, S. 293)
"1934 hatte Schlaggenwald 3061 Einwohner.
Mit den Dörfern Gfell, Leßnitz, Müllersgrün,
Poschitzau, Rabensgrün, Schönwehr, Stirn und Töppeles zusammen 5089; davon
waren 90% katholisch.
Einst galten Böhmen, Mähren und
Schlesien als
christliche Länder. Sie waren dies vor allem, weil die Sudetendeutschen
katholisch gewesen sind.
Dechant Josef Bühl, Katechet Rudolf Schmitt, Kaplan
Anton Pinzka und Nepomuk Wommes waren die letzten uns persönlich bekannten
Seelsorger.
Mit der Vertreibung von über 3 Millionen Katholiken
mit rund 2.000 Priestern und 2.800 Ordensschwestern wurden die „Grenzgebiete“ zu
pastoralen Ruinenfeldern. Die 500 verschwundenen sudetendeutschen Ortschaften
sind auch verschwundene Pfarreien. Über den zerstörten und verfallenen Dörfern
wuchern Herkulesstauden und breiten sich Birken aus – „ins Dorf wächst
langsam wieder Wald herein“. In den Kirchen beten nur noch wenige alte Frauen
und einige Kinder." (1)
Die
Anfänge der St. Georgskirche
Einer alten Quelle zu Folge soll bereits 1242 eine dem hl. Georg geweihte Kirche
in "dominanter Lage" bestanden haben; nähere Angaben und Unterlagen
davon existieren nicht.
Bald nach der um das Jahr 1300 erfolgten Stadterhebung von Schlaggenwald wurde
hier eine eigene Pfarrei
errichtet: "Die Gründung einer Kirche in Schlaggenwald reicht zum Anfange
des XIV. Jahrhunderts zurück. Die Grundherrn der Herrschaft Petschau und der
Bergstädte, Slawko und Borsso von Riesenburg, präsentirten im Jahre 1357 den
Priester ... Ullrich zum Pfarrer nach Schlaggenwald und ihrer Filiale Petschau
... . Diese Patronatsverfügung bekundet, daß bereits vor 1350 Schlaggenwald zu
einem ansehnlichen Flecken erhoben und eine Kirche mit Pfarrpfründe in seinem
Weichbild hatte, zu welcher auch das nachbarliche Schönfeld eingepfarrt war ,
... ." (3, Seite 117)
Als die St. Georgkirche rund 200 Jahre
später die Gläubigen nicht mehr fassen konnte, initiierte Hans Pflug von
Rabenstein einen größeren Neubau. Grundsteinlegung dazu war 1517/18 und
zwei Jahre später stand der Chorraum. In
den Folgejahren wurde auch das Kirchenschiff fertig gestellt und das
Gotteshaus damit seine heutige Gestalt erhalten.
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1, 3 Chorstühle für
Altardienst
2 Seitenaltar (hl. Joseph)
4 Seitenaltar (Muttergottes)
5 Sakristei
6 Grundriss erster Turm
7 Christus am Ölberg
8 Anbau "Kerker" (Marienstatue)
9 Taufstein
10 Kanzel
11 späterer Anbau
12 Erdgeschoss jetziger Turm
13 Haupteingang der Kirche
14 Weihwasserstein
15 Altarraum
16 Nebeneingang durch Turm
17 Zugang zu Empore und Turm
18 Mauernische mit Statuen
19 Aufgang zur Empore
20 Hauptschiff, Erweiterung des
ursprünglichen Ostteils
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(Die
Legende des Grundrisses stammt von Heinrich Dilling, dem 1. Vorsitzenden des
Schlaggenwalder Heimat- und Geschichtsvereins)
Nach Fertigstellung der
immerhin 36 Meter langen und 16
Meter breiten St. Georgskirche veranlasste Hans Pflug weitere Sammlungen
und stellte auch selbst größere
Beitrage zur Anschaffung der Kircheneinrichtung und einer Orgel zur Verfügung.
"Johann Pflug hat ... sich für alle Zeiten ein unauslöschliches Denkmal
gesetzt." (3, Seite 119)
Ansicht von 1698 (2, Seite 284)
"Die
nunmehr bald 500 Jahre alte Kirche des Heiligen Georg überstand
die Hussitenzeit, die Plünderungen und das Ungemach des 30jährigen Krieges,
Pest und Brand der Bergstadt zu ihren Füßen, den Erbfolgekrieg, den 66iger
Krieg und den 1. und 2. Weltkrieg. Noch offen ist, ob sie den Folgen der ideologischen
Verirrung des letzten Jahrhunderts von Nationalismus und Kommunismus und den
ethnischen Säuberungen der Jahre 1945 wird standhalten kann." (1)
Der
Niedergang
"Wer heute nach Schlaggenwald kommt, dem bleibt der
Niedergang der Kirche nicht verborgen. Wenn auch der äußere Anblick zuerst
noch ein intaktes Gebäude vermuten läßt, so erschüttert umso mehr das verwüstete
Innere.
Bis 1960 fanden in der St. Georgskirche regelmäßig
Gottesdienste statt. 1961 verstarb der allseits bekannte und verehrte Katechet
Rudolf Schmitt als letzter deutscher Geistlicher. Pfarrer Urbanek wurde zuständig
für beide Kirchen St. Anna und St. Georg. Er hielt im Winter wegen des
beschwerlichen Weges zur oberen Kirche nur Gottesdienst in der Spitalkirche St.
Anna in der Neustadt. So blieb die große Kirche über der Stadt für fünf
Wintermonate geschlossen - ein unbewohntes Haus!
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Ein
Brand des Dachstuhles 1964 muß als eigentliches Datum des beginnenden
Verfalls angesehen werden. Dank der großen Anstrengungen des
tschechischen Seelsorgers konnte erst ein provisorisches und später nach
dem Prager Frühling ein solides dauerhaftes Dach den Erhalt des
Kirchenschiffes sichern. Die durch die Wasserschäden bei der
Brandbekämpfung an den Wänden zum Vorschein gekommenen alten Fresken
wurden vom tschechischen Amt für Denkmalpflege als erhaltenswürdig
befunden. Gerüste zum Freilegen der Wandmalereien stellte man auf und die
stehen seit mehr als 30 Jahren heute noch. Das Holz zerfrißt der Wurm und
das Eisen der Rost. …" (1) |
In jüngster Zeit wurde
erfreulicherweise die Aussichtsplattform
am Turm von St. Georg erneuert, so dass wieder der herrliche Rundblick zu
genießen ist.
Wird vielleicht - hoffentlich! - bald auch das Innere der Kirche selber
renoviert?
Die einstmals so schmucken Buntglasfenster z.B.
müssten dringend vor dem endgültigen Verfall gerettet werden.
(Fotos Jiri Laubendorf/Petr Lauer)
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Aus der Geschichte des
Turms von St. Georg
"Der 32 Meter hohe Kirchturm, hoch über der Stadt gelegen, bietet einen
großartigen Anblick. Er stellt insofern eine Seltenheit dar, als er im
Gegensatz zu den meisten anderen Kirchtürmen oben eine Wohnung besitzt. Um
diese herum verläuft eine Galerie, auf welcher der Türmer ursprünglich jeden
Tag um drei Uhr nachmittags die Sterbestunde Jesu Christi mit Glockenschlag und
Trompetenblasen anzeigen mußte. Der Glockenstuhl wurde im Jahre 1539 eingebaut.
Da man die Grundmauern des Turmes auf porösem Schiefergestein errichtet hatte,
mußte 1593 der baufällig gewordene Turm bis auf den Grund abgetragen werden.
Zur Unterbringung der Glocken wurde bei der oberen Friedhofsmauer das
Glockenhaus gebaut. Leider erkannten die Bauherren die Ursache im porösen Grund
wieder nicht, so daß der Turm im Jahre 1785 erneuert und 1847 renoviert werden
mußte. Unter dem Hauptsims wurden die große Uhr und im Glockenstuhl die vier
großen Glocken mit dem tiefen harmonischen Geläute angebracht." (2, Seite
290)
"Die wenigen
Gottesdienstbesucher waren wehrlos, um etwas gegen die Gottlosigkeit und für
den Bestand der Kirche zu tun. So erhöhte sich auf „wundersame“ Weise die
Zahl der kirchlichen Ruinen.
An den großen Straßen und in den Städten des
Tourismus sind die heutigen Besitzer bemüht Kirchen im neuen, bzw. alten Glanz
erstehen zu lassen. Leider aber sind Vorzeigekirchen ohne Gläubige leere Hülsen
- bestenfalls Räume für feierliche Orgelkonzerte.
Ohne Opferbereitschaft und tätige Mithilfe derer,
denen die Kirchen heute gehören, sind alle Bemühungen um die Renovierung
vergeblich Geld allein vermag nichts auszurichten, selbst wenn es zur Verfügung
stünde. Häuser und Kirchen werden nicht nur von unten durch Arbeit und Geld,
sondern zusammen mit dem Segen von oben gebaut.
Dort, wo sich die Stadt und die noch oder nicht mehr
zuständige kirchliche Administration gegenseitig bescheinigen, nicht Besitzer
zu sein, da ist Stillstand, da nagt der Zahn der Zeit. Der jetzige Zustand der
Mauem und des Daches ließen die Sicherung der Bausubstanz immer noch sinnvoll
erscheinen. Auch die größtenteils noch erhaltenen Kirchenfenster waren der
Aufmerksamkeit wert." (1)
Erinnerungen
- so war ´s einmal
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Hochaltar
St. Georg
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Marienaltar
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Weihnachtskrippe
auf dem Hochaltar
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Ölbergdarstellung
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"Wir als Vertriebene sind mit dieser Kirche, in der
wir die Taufe, die erste heilige Kommunion, das Sakrament der Firmung empfangen,
in der wir unsere Angehörigen auf ihren letzten Weg begleitet haben, in der
Erinnerung bis heute verbunden. Bleibt zu hoffen, daß nicht eines Tages das
Schild „Einsturzgefahr - Betreten verboten“ den Schlußpunkt einer langen
Geschichte markiert." (1)
Ein
Anliegen
"Schlaggenwald,
eine Stadt im Kaiserwald, die ihre
Existenz seit Urväterzeiten dem Bergbau verdankt und von ihm geprägt wurde
- „Alles kommt vom Bergbau her“ - hat sich seit der Vertreibung seiner Bewohner
1946 gewaltig verändert. Diese Veränderungen waren nicht allesamt
unvermeidlich, es gab am Ende des 2. Weltkrieges weder Kampfhandlungen noch
Fliegerangriffe.
Die Besucher erkennen nach vielen Jahren ihren Ort
nicht mehr, in dem sie aufgewachsen sind. Wohnungen und Elternhaus sind leer
stehend, verfallen oder abgerissen. Historische Zeugen einer langen
Vergangenheit, die Pflughäuser, viele schöne Haustore, das Rathaus, Kapellen
und der größte Teil der Gräber am Friedhof sind verschwunden. Der Zugang zu
den noch bewohnten und den neu erbauten Häusern bleibt versagt. So hofft der
Gast auf das offene Haus Gottes und wird enttäuscht. Es schmerzt ihn, wenn er
dem trostlosen Zustand der Kirche begegnet und erkennen muß, wie langsam ein
unaufhaltsames Ende herannaht.
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Es soll keine Anklage erhoben werden, und diejenigen,
die ihr Land verlassen mußten, wollen nicht auf die neuen Bewohner mit dem
Finger zeigen. Bald wird niemand mehr leben, der die Kirche im Jahreslauf, im
Gottesdienst, bei Taufe und Tod, bei Hochzeit. bei Kommunion und Firmung erlebt
hat. Später wird man über dieses Gotteshaus nur noch aus Niedergeschriebenem
etwas erfahren.
Wenn die Zeitzeugen nicht mehr sprechen können, wird es
ungenau, dann leidet auch die Wahrheit." (1)
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St.
Georg - Festtag am 23. April
"Die Kirche in Schlaggenwald ist dem heiligen Georg
geweiht. Er stammte aus einer reichen Familie in Kappadokien und wurde römischer
Soldat. Als Christ erlitt er unter Kaiser Diocletian um 303 ein Martyrium
besonders entsetzlicher Art. Durch seine unerschütterliche Treue zum
Christentum steht er für das im Glauben unzerstörbare Leben und wurde eine
der herausragensten Heiligengestalten der Christenheit. Ungebrochen über
viele Jahrhunderte hinweg verehrt ihn Kirche und Volk, verehren ihn viele
Berufe, Stände und Herrscherhäuser als Symbol christlicher Tapferkeit.
Ausgehend von Kleinasien. in den einstmals römischen
Provinzen. verbreitet sich sein Kult in Süddeutschland und Osterreich. vom
Bodensee, von der Donau und Moldau, vom Rhein und der Lahn bis England und Rußland.
Viele Kirchen tragen in diesen Ländern seit dem Mittelalter her den Namen
dieses Heiligen. Die Liebe und Verehrung brachten eine unübersehbare Fülle von
Legenden hervor, die ihren Ausdruck im Bild des Kampfes mit dem Drachen fanden.
Der Drache als das Böse, der Unglaube, der von Christus - hier vertreten durch
Georg - besiegt wird.
Im Bergwerksbesitz des Elternhauses aufgewachsen, als
Ritter im Umgang mit Pferd, Eisen und Rüstung vertraut, mögen besonders Bauern
und Bergleute zu diesem Heiligen eine Beziehung gefunden und ihn in ihren Nöten
um Schutz und Fürsprache angerufen haben. Seit in Schlaggenwald Erz geschürft
wurde, trägt schon die erste Kirche den Namen des hI. Georg."
(1)
Um die Kirche St. Georg liegt der Friedhof
von Schlaggenwald.
(Foto Jiri Laubendorf/Petr Lauer)
verwendete Literatur
1 |
Jakob,
Herbert/Dilling, Heinrich, Schlaggenwald - St. Georg, eine Kirche in
Böhmen, Schlaggenwalder Heimat- und Geschichtsverein, 2001 |
2 |
Schlaggenwald, einst kaiserlich freie Bergstadt im Egerland, Hausham 1991
("Schlaggenwalder Heimatbuch") |
3 |
Prökl, Vinzenz, Geschichte der königl.
Bergstädte Schlaggenwald und Schönfeld, Eger 1887 |
letzte Bearbeitung dieses Artikels am 1. März 2007
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