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Die
Stadtmauertürme
Die mittelalterliche Stadtmauer wurde verstärkt und
überragt von einer ganzen Reihe von Türmen. Von den meisten sind heute nur
mehr kümmerliche Überreste zu finden, wohl aber sind ihre Namen und die
ehemaligen Standorte bekannt. Im folgenden Plan sind die Türme rot und die drei
Tore blau eingezeichnet.
(1) Das Haus
Alleestraße 3 stand bis vor wenigen Jahren an der
Stelle, wo früher der
„Anzieh- oder Anziegturm“, auch „Turm der peinlichen Frage“ genannt,
war. In seinen Kellergewölben wurden die Gefangenen gefoltert, oder wie es
einst hieß „peinlich befragt“. Der Henker und seine Knechte pressten hier
sicher so manchem armen Schlucker ein Geständnis ab über Verbrechen und
Freveltaten, die er gar nicht begangen hatte.
(2) Das Wohnhaus Stadtgraben 1 gibt den Platz des ehemaligen „Pulverturms“
an. Hier lagerte also in vergangenen Jahrhunderten die Munition. Im 30-jährigen
Krieg (1618-48) hieß er auch „Sieberturm“, weil ihn ein Siebmacher
bewohnte. Um 1790 hauste der Schreiner Kerst in ihm, weswegen er in dieser Zeit
„Schreinerturm“ genannt wurde. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hat er
den Namen „Rödlturm“, weil ihn 1844 der Tagwerker Johann Rödl erworben
hatte.
Zwischen diesem Turm und dem nächsten, allerdings auf der anderen Seite des
Mittleren Tores, soll noch ein Turm gestanden sein, der aber erst im 18.
Jahrhundert errichtet worden sein soll und deshalb nicht mehr zur
mittelalterlichen Befestigungsanlage zu zählen ist; zudem ist er bald darauf
wieder aus dem Stadtbild verschwunden.
(3) Der „Weiße Turm“, heute Zwingergasse 3, wurde leider um 1800 zum Teil
abgetragen. Er zeigt aber mit heute ca. 10 m Höhe immer noch etwas von seinem
einstmals stattlichen Ausmaß, und wartet sehnlichst auf eine Restaurierung.
1796 hatte diesen Stadtmauerturm der Tuchmacher Johann Vollhann als Wohngebäude
erworben und genutzt; seitdem heißt er im Volksmund auch „Vollhannturm“. Eigentümer
dieses Turms ist die Stadt Auerbach.
(4) Der nächste Turm im inneren Mauerring war der „Predigerturm“,
zuletzt Pfarrstraße 15. Er trug diesen Namen, weil in seiner unmittelbaren
Nachbarschaft, heute Pfarrstraße 30, der „Prädikant“ oder Prediger, also
der Geistliche der „Prädikaturstiftung“ wohnte.
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Köstler beschreibt ihn so:
„Dieser hohe schöne Turm war eine Hauptzierde
der Stadt. Vom Unteren Tor aus
betrachtet gewährte er ein herrliches
Straßenbild. Im Parterregewölbe dieses
stattlichen und festen Turmes
wohnen jetzt die Kühe des Neuschusters.
Der selbe
Raum war bis 1608 das
Hauptgefängnis der Stadt und wurde
'Kollerer' genannt.
Hier saßen Räuber und
Mörder gefangen, manchmal auch harmlose Leute.“
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Die
sehr dicken Mauern dieses Turmes, der früher mindestens doppelt so hoch war wie
der lange stehengebliebene und bewohnte Rest, erinnerten noch bis vor wenigen
Jahren an seine große und wehrhafte Vergangenheit. Kurz vor der Jahrtausendwende
wurde dieser Zeuge der Auerbacher Vergangenheit ganz abgerissen.
(5) Ein weiterer, heute nur mehr ca. 8 m
hoher Teil der Befestigungsanlage
ist
der runde „Schwedenturm“.
Er hieß ursprünglich „Faulenturm“.
1796, als
auf Anraten der Regierung
die noch verbliebenen
Stadtmauertürme
versteigert wurden, erwarb ihn Kapar Leißner,
genannt „der
Schwed“. Seither trägt
das Gebäude seinen heutigen Namen,
und die Gasse den
Straßennamen
„Am Schwedenturm“.
Der Schwedenturm gehört zum
Nachbaranwesen und ist bewohnt.
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(6) Der „Hundsturm“ wurde wegen akuter Baufälligkeit um 1830 völlig
abgetragen und an seine Stelle das Haus Am Schwedenturm 3 errichtet. Ob er
seinen Namen deshalb hatte, weil ihn 1597 der Schinder oder Abdecker bewohnte,
der die in diesem Teil des Stadtgrabens lebenden Hunde des Landrichters
fütterte, oder weil in seinem unterirdischen Gewölbe, „Hundsloch“ genannt, lange
Jahre das Gefängnis für aufgegriffene Landstreicher war, ist nicht genau
festzustellen.
(7) Etwa an der Stelle des Hauses Bachgasse 25 in der Nähe des alten Brauhauses
stand einst der „Stranerturm“ oder „Hungerturm“ wie er nach einem seiner
Besitzer (Johann Hunger) ab etwa 1800 hieß. Über ihn weiß Köstler zu
berichten: „Der massive viereckige Turm wurde 1607 bewohnbar gemacht und an
verschiedene Familien vermietet. Die Mieter waren meist markante Persönlichkeiten:
invalide Soldaten, abgedankte Offiziere, ... Konvertiten, Jäger, Kurpfuscher,
Wahrsagerinnen, Einsiedler, Sonder-linge und Abenteuerer. Gemeinsam war an ihnen
nur eines: Armut und Abnormität.“
(8) Der Turm vor dem Schloss hatte wohl keinen eigenen Namen, zumindest ist
keiner überliefert; manchmal stößt man aber auch auf den Namen "Weißer
Turm" wie Gebäude 3. Er gehörte mehr oder weniger zum Schloss und
diente als Lagerraum für Waffen und andere Geräte. Wie vom ganzen ehemaligen Schloss sind auch von diesem
Stadtmauerturm keine Spuren mehr zu finden.
(9) Unmittelbar neben dem Schloss stand damals noch der schon 1716 eingefallene
„Ledererturm“. Dieser hatte seinen Namen von einem Gerber oder wie es früher
hieß Lederer, der in ihm seine Werkstatt aufgeschlagen hatte. Ebenso wie einige
andere Türme diente er im Mittelalter zeitweilig auch als Gefängnis.
Außer diesen Stadtmauertürmen ragten auch noch bei den drei Toren (I unteres,
II mittleres und III oberes Tor) stattliche
Türme aus den Mauern.
verwendete
und weiterführende Quellen
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Köstler, Joseph (1849-1925), Chronik der
Stadt Auerbach, Band 16 des handgeschriebenen siebenundzwanzigbändigen
Werkes, Lagerort Archiv der Stadt Auerbach i.d.OPf. |
letzte
Bearbeitung dieses Artikels am 22. Januar 2022
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