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Dora
ist eigentlich ein
weiblicher Vorname und die Kurzform von Dorothea; hier aber ist "das größte Geschütz aller
Zeiten" aus dem 2. Weltkrieg gemeint.
Mehrere Teile dieser
deutschen "Wunderwaffe" wurden im April 1945 am Rande des
Truppenübungsplatzes Grafenwöhr kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner gesprengt.
Ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen,
dass es mir auch in diesem Artikel nicht um eine Verherrlichung von Waffen geht.
Mir ist sehr wohl bewusst, welch ungeheueres Elend zu allen Zeiten von Kriegen
und den dort eingesetzten Waffen ausgeht.
Mir wäre es viel lieber, wenn alle Menschen auf der ganzen Welt auf jegliche Waffen
verzichten würden, wenn sich die Weissagung des Propheten Micha
erfüllen würde:
„In den letzten Tagen
aber wird der Berg, auf dem Gottes Haus steht, fest stehen, höher als alle
Berge und über alle Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, und
viele Heiden werden hingehen und sagen: ‚Kommt, lasst uns hinauf zum Berge
des Herrn gehen und zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns lehre seine Wege
und wir in seinen Pfaden wandeln!‘
Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Er wird
unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Ländern.
Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße
zu Sicheln machen. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und
sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter
seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken.
Denn der Mund des Herrn Zebaot hat es geredet.“ (Mi,
4,1-4)
Aber leider sieht die
Realität anders aus, wie auch Wilhelm
Busch
(1832-1908) in seinem Gedicht
Bewaffneter Friede (oder Fuchs und Igel)
erkannt hat.
Entwicklung der Dora
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Bereits 1937 war das OKH
an die Firma Krupp
herangetreten,
ein überdimensionales Geschütz
als "Sondergerät" zu entwickeln.
Schließlich wurden u.a.
drei 80-cm-Kanonen
gebaut,
Dora, Schwerer Gustav
und Schwerer langer Gustav.
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Bei dieser 80 cm Kanone handelte es sich um
das größte jemals gebaute Geschütz. Das 32,48 m lange Rohr mit einem Gewicht
von allein 400 t war beim Feuern auf ein 40-achsiges Fahrgestell montiert. Zum
Abfeuern wurden zwei nebeneinander liegende Gleisstränge benötigt.
Gerichtet wurde die Kanone, indem man sie mit zwei je 1.000 PS starken
Dieselloks in einer "Schießkurve" hin- und herschob. Verschossen werden
konnten 7.100 kg schwere Panzergranaten, die eine maximale Schussweite von
37.000 m besaßen, und 4.800 kg schwere Sprenggranaten, die bei einer V o
von 820 m/s eine Schussweite von 48.000 m erreichten.
In Rügenwalde
(Pommern,
heute Darłowo, Polen)
wurde die Kanone
im November/Dezember 1941
aufgebaut ... |
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... und in
Anwesenheit
von Adolf Hitler
und anderer Nazigrößen
im scharfen Schuss erprobt.
Die Dora feuerte dabei
vom Schießplatz
Rügenwalde-Bad
hinaus auf die Ostsee. |
Einsatz der Dora
auf der Krim
Am 22. Juni 1941 begann Hitler mit dem Angriff auf die
ganz offensichtlich überraschte Sowjetunion.
Es ging rasch voran, und Ende 1941 waren das Baltikum und Weißrußland in der
Hand von deutschen Truppen. Der Führer hatte Anfang August den von den
Generälen empfohlenen Angriff auf Moskau stoppen lassen, um zunächst die vor
allem energiewirtschaftlich bedeutendere Ukraine einzunehmen.
Tatsächlich waren im Oktober 1941 auch große Teile der Ukraine und der
Schwarzmeerhalbinsel Krim von der deutschen 11. Armee unter Generaloberst
Erich
von Manstein und rumänischen Verbänden besetzt. Ein weiteres Ziel war die
Eroberung von Sewastopol. Dazu machte der Einsatz des riesigen Geschützes Dora - wenn überhaupt - richtig Sinn.
Am 8. Januar 1942 wurde die
Schwere Artillerie-Abteilung (E) 672 aufgestellt. Kommandeur dieser Einheit wurde
Oberst R. Böhm. Im Laufe der Übergabezeremonie wurde das Geschütz auf
den Namen "Dora" getauft;
so hieß die Schwester des Chefingenieurs Erich Müller.
Das Eisenbahngeschütz
Dora (I)
wurde nun im späten Frühjahr 1942 von seinem bisherigen Standort
Rügenwalde auf speziellen Tiefladewagons zur Krim transportiert und
ca. 16 km nordöstlich von Sewastopol in Stellung gebracht. (Foto)
Der
eigentliche Kampf
um Sewastopol, "die stärkste Festung der Welt", begann am 7. Juni
1942.
Insgesamt
wurden bei diesem einzigen Einsatz
der Dora im Sommer 1942 bei Sewastopol
48 Geschosse abgefeuert. Dabei zeigte sich auch die große Durchschlagskraft des gewaltigen 80 cm Kalibers: Die Dora zerstörte
ein Munitionslager der Sowjets, das 30 m tief im gewachsenen Fels lag.
Außerdem wurden mit ihr Panzerforts, wie etwa die Festung Maxim Gorki
beschossen. "Doch die eher ´magere´ Trefferwirkung steht in keinem
Verhältnis zum enormen Aufwand." (2, Seite 81)
Nach der Eroberung der Stadt am 1. Juli 1942 wurden ca.
97.000 Rotarmisten gefangen genommen. Von diesen Gefangenen kamen keine mehr in
das Lager in Bernreuth, da es bald darauf
geschlossen wurde.
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Der Krimschild,
ein Kampfabzeichen im 2. Weltkrieg,
wurde am 25. Juli 1942
von Adolf Hitler gestiftet.
Diesen Orden konnten alle Wehrmachtsangehörigen
und der Wehrmacht unterstellte Personen
bekommen, die zwischen dem 21. September 1941
und dem 4. Juli 1942 an den Kämpfen
um die Krim zu Lande, in der Luft
und zu Wasser beteiligt waren. |
200.000 bis 300.000 solcher am linken Oberarm
der Uniform zu tragenden Ärmelschilde wurden verliehen. Sie wurden auch posthum
vergeben, denn einige Tausend deutsche Wehrmachtsangehörige waren auf der Krim
gefallen bzw. vermisst.
Das
Ende der Dora
Nach der Einnahme von Sewastopol wurde die Dora I nach
Auerswalde
(bei Chemnitz, Sachsen) in
Sicherheit gebracht. Nach einer Überholung wurde im März
1943 bei einer Vorführung der letzte scharfe Schuss abgegeben. Das
Geschütz wurde anschließend in Auerswalde "eingelagert".
Das zweite Gustav-Geschütz, häufig Schwerer Gustav oder einfach Dora
II genannt, soll
nach Probeschüssen im März 1943 bei Rügenwalde nie zum Einsatz gekommen sein.
Ein drittes Gustav-Gerät, Schwerer langer Gustav genannt, wurde noch in der
Montagehalle von Krupp in Essen bei einem alliierten Bombenangriff zerstört.
Am 14. oder 15. April 1945 wurde die 1942 bei Sewastopol eingesetzte Dora I von der deutschen Wehrmacht durch
Sprengung des Verschlusses und der Wiege unbrauchbar gemacht. Die noch intakten
Teile und auch einige Trümmer wurden von sowjetischen Fachleuten analysiert und
Ende 1945 zum zentralen Beutesammelplatz nach Merseburg bei Halle gebracht. Über
den weiteren Verbleib ist nichts bekannt.
Mehr oder weniger durch Zufall wurde im Dezember 2003 durch Matthias Gluba
in Auerswalde ein ca. 80 mal 40 Zentimeter großes rund 200 kg schweres
Eisenstück entdeckt.
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Es handelt sich um ein Stück
von der Wiege * der Dora II,
das bei der Sprengung 1945
etwa 150 m weit geschleudert wurde
und in einem Garten gelandet war.
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Das Fundstück hat im 2011 eröffneten Militärhistorischen Museum der Bundeswehr (MHMBw)
in Dresden zusammen mit einer fast 4 Tonnen schweren 800 mm Sprenggranate, einem
Modell der Dora und einigen anderen einschlägigen Exponaten zum Thema einen Platz
gefunden.
* Die Wiege oder
Rohrwiege ist ein wichtiger Bauteil von Geschützen. Sie ist in der Lafette
fest oder beweglich gelagert und umfasst einen hinteren Teil des Geschützrohres
vor dessen Verschlussblock ringförmig. Das Rohr kann beim Schuss in der Wiege
zurück gleiten, um den Großteil der
Rückstoßenergie
durch sein Trägheitsmoment
abzubauen. Dabei wird das Rohr bei größeren Geschützen zusätzlich
hydraulisch gebremst und dann durch den Rohrvorholer wieder in die Ausgangslage
gebracht.
Erst durch diese in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte Geschützbauweise
mit einer Rohrwiege wurde das Abfeuern von Geschützen mit größerem Kaliber
bei feststehender Lafette ermöglicht. Vorher musste die ganze Lafettierung in
einem aufwändigen Rücklaufsystem montiert werden, bzw. man musste sie auf
Rädern zurückrollen lassen.
Die
Dora hatte
wie schon gesagt das schier unglaubliche Kaliber von 80 cm (800 mm), in Feuerstellung eine
Gesamtlänge
von 42,98 Metern,
ein Gewicht von 1.350 Tonnen
und erforderte für seine
Bedienung 500 Mann,
für das Instellungbringen sogar mehr als 3.000.
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Eine 4,72 t
schwere und insgesamt
5,4 m lange Sprenggranate
hatte eine
Reichweite
von rund 47 km.
Die enorme Durchschlagskraft
der Panzergranate wurde
wie folgt angegeben:
in Stahl 1 m
in Stahlbeton 8 m
im gewachsenen Boden 32 m.
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Hier werden die
Größenverhältnisse
Mensch - Granate - Dora
veranschaulicht. |
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Das Eisenbahngeschütz Dora
ist auch ein Zeugnis
für Hitlers Gigantomanie.
Auf diesem Foto
bestaunt er (wohl 2. von rechts)
mit einigen Gefolgsleuten
seine vermeintliche Wunderwaffe
in Rügenwalde (siehe oben). |
Die Dora bei Metzenhof
Das
zweite, baugleiche Eisenbahngeschütz Dora II (von manchen Schwerer Gustav
oder Schwerer Gustav 2 genannt) war zwar
1942 auch fertig und schussbereit, kam aber außer einem Probeschießen im März
1943 nie zum
Einsatz, und war folglich auch nicht in Sewastopol auf der Halbinsel Krim.
Diese Dora
jedenfalls wurde im
August 1944 in Rügenwalde abgebaut und zunächst
eingelagert. "Verladen auf Spezialwaggons sind sie (Anm.: hier wird also
von beiden Eisenbahngeschützen gesprochen!) auf dem Schießplatz in Rügenwalde
an der Ostsee abgestellt und dann seit März 1945 mit mehreren Zügen in
Deutschland unterwegs. Der Zug mit den wichtigsten Teilen, wie Mantel- und
Seelenrohr, Bodenstück, Wiege, Ladetisch und Munitionsaufzüge der
Gustav-Geräte an Bord wird in einem Waldstück bei Metzenhof ´geparkt´. Den
Amerikanern ist das Objekt von Hitlers Waffengigantomanie keinen Bombenteppich
wert. Sie scheinen zu wissen, dass die vermeintliche ´Wunderwaffe´ ohne die
anderen Züge, die sich bei Chemnitz befinden, nicht einsatzfähig ist."
(2, Seite 56)
Der Eisenbahnzug mit dem Geschütz bzw. den Geschützteilen der beiden Doras traf also Ende
März 1945 im Truppenübungsplatz Grafenwöhr ein und wurde bei Metzenhof
abgestellt.
Auf
dieser alten Landkarte (aus 1) ist ein Teilstück der Nebenbahnstrecke von
Grafenwöhr her kommend über Eschenbach,
Stegenthumbach und Metzenhof weiter nach Kirchenthumbach noch eingezeichnet. Diesen Weg nahm
der besagte Eisenbahnzug im Frühjahr 1945. Dann wurde er südlich des Großen
Weihers
(blau) ca. 300 m nördlich der Metzenmühle im Wald abgestellt (gelb). Der
damals 31 jährige Josef Stock, Meister auf der Metzenmühle, erinnerte sich 50
Jahre später: "Zur Kanone selbst gehörten noch weitere zehn oder zwölf
Eisenbahnwagons, die bestückt waren mit Zusatz- und Ersatzteilen sowie
Werkzeugen. Etwa 40 Wehrmachtsangehörige haben das Geschütz Tag und Nacht
bewacht." (3)
Auf diesem
Luftbild
(aus BayernAtlas) ist die Ortschaft Metzenhof links oben. Der Waldrand
in der Bildmitte ist in etwa die heutige, mit einer roten Linie markierte Grenze des Truppenübungsplatzes.
Zwischen Metzenhof und der Panzerringstraße, deren Schleife links unten ins
Bild kommt, ist ein militärischer Hubschrauberlandeplatz mit dazugehörigen
Anlagen und Gebäuden.
"Die Landser saßen mehrmals bei uns in
der Küche und haben Kaffee getrunken. Am 19. April, die Amis hatten Stegenthumbach
(Anm.
etwa
3 km südöstlich der Metzenmühle) bereits eingenommen, kamen die deutschen Soldaten und haben uns darauf
aufmerksam gemacht, daß in ein paar Stunden das Geschütz gesprengt wird. Auf
Hitlers Befehl durfte die Kanone im funktionsfähigen Zustand dem Feind nicht in
die Hände fallen." (3)
Unmittelbar
vor Eintreffen der US-Truppen sprengten also deutsche Soldaten am gleichen Tag den bei
Metzenhof am
Rande des Übungsplatzes stehenden Eisenbahnzug mit Teilen des größten Geschützes aller Zeiten,
genauer gesagt mit Teilen der beiden Geschütze Dora I und Dora II. Ein anderer Zeitzeuge erinnert sich, dass "es mächtig gescheppert
hat" und noch einige Nachexplosionen gegeben habe.
"Knapp drei Jahre nach dem Einsatz auf der Krim: Bis nach Weiden und
Bayreuth ist die Detonation zu hören, als am 19. April 1945 um 13.30 Uhr die
Erde ... bei Metzenhof in der Oberpfalz erzitterte. Der umliegende Wald geht in
Flammen auf. Kurz bevor die Amerikaner die Gleise erreichen, jagen deutsche
Pioniere einen ganzen Zug mit 19 Spezialwaggons in die Luft." (2, Seite 58)
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Was
bei der Sprengung
am 19. April übrigblieb,
"stand von 1945
bis zur Demontage 1950
auf den Gleisen bei
Metzenhof."
(4, Seite 104f)
Die oben angesprochene Wiege
ist links vor dem Rohr
zu erkennen. |
Vor allem amerikanische Soldaten ließen sich gern mit den Überresten von
"Hitlers Monster-Geschütz" (5, Seite 105) fotografieren. Auch der
legendäre US-General George S.
Patton
kam im Sommer 1945 wenige Monate vor seinem Tod
hierher. Als Souvenir soll er sich das Typenschild der Dora mitgenommen haben.
"Zur Aufrechterhaltung
des Schienenverkehrs
wurde ein Ausweichgleis
um die Waggons mit den riesigen
Schrottteilen der Dora
gebaut." (5, Seite 105) |
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Erst 1950 wurden
die Überreste der Geschützteile
von einem Demontagetrupp
aus Dingolfing abgebaut und mit
großen Schweißbrennern zerlegt.
Die Metallstücke wurden dann
abtransportiert. (Foto aus 1) |
In manch einheimischem Werkzeugkeller sollen
noch Stücke, wie z.B. Schraubenschlüssel, aus dem reichen Bestand der Dora sein und
auch benutzt werden.
verwendete und weiterführende Quellen
1 |
Archiv Heinrich Dilling, Dachsbach |
2 |
Hormann, Jörg-M., Eisenbahngeschütz Dora - Der
Artilleriegigant des Zweiten Weltkrieges und seine Vorläufer, in
Clausewitz, Heft 1/2012 |
3 |
Fürk, Fritz, Dem Stahlmonster wurde der
Garaus gemacht, in Nordbayerischer Kurier, 19. April 1995
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4 |
Burckhardt
Paul, Die Truppenübungsplätze Grafenwöhr, Hohenfels, Wildflecken, Weiden 1989 |
5 |
Morgenstern, Gerald,
Truppenübungsplatz
Grafenwöhr, gestern - heute, Grafenwöhr 2010; 2. und erweiterte Auflage
2011 |
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Vater, ich rufe Dich (Gebet während der
Schlacht)
Text: Körner,
Karl Theodor (1791-1813)
Melodie: Himmel,
Friedrich Heinrich (1765-1814) |
letzte Bearbeitung dieses Artikels am 5.
Mai
2022
Für Ergänzungen, Korrekturen usw.
bin ich sehr dankbar.
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