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Im November 2014 drehte das
Bayerische Fernsehen einen Clip über den Kanonier von Weidlwang unter
Beteiligung zahlreicher Dorfbewohner. Die Aufzeichnung dieses kurzen Videos kann
hier angeschaut
werden. (Sendereihe Wir
in Bayern)

Weidlwang
und sein Kanonier
Fährt man von
Pegnitz
(Oberfranken)
auf der heutigen Staatsstraße St 2162 über Hainbronn nach Auerbach, so begrüßt einen gleichsam
an der Grenze zum Regierungsbezirk Oberpfalz auf einem steil aufragenden Felsen
der Kanonier von Weidlwang.
Scherzhaft könnte man natürlich auch sagen, der streitbare Gesell wacht
darüber, dass kein Unbefugter aus dem Fränkischen herein zu uns in die
Oberpfalz kommt.

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Seit
Anfang Mai 2002 war der Kanonier für kurze Zeit von einem Fangnetz umgeben, aber nicht,
weil er vielleicht aus Altersschwäche hätte hinunterfallen können;
immerhin stand er ja schon seit 1961 bei Wind und Wetter auf seinem
ungeschützten Platz in luftiger Höhe.
Die
aufwändige Sicherungsmaßnahme diente für die Arbeiten, die zur Vorbereitung
des großen Ereignisses im Juli des Jahres notwendig waren. |
Weidlwang
(Luftbild,
BayernAtlas)
ist ein kleiner Ort mit 46 Einwohnern (Stand 1.1.2018).
Das Dorf
liegt an der Staatsstraße
St 2162 nach
Pegnitz, ca. 6 km nordwestlich von Auerbach bzw. gut 3 km südöstlich von Pegnitz.
Diese Straße verlief bis 1931 praktisch weiter westlich im Tal der Pegnitz, und
wurde erst ab jenem Jahr auf ihre heutige Trassierung weg von der Bahnlinie
(errichtet
1874-1877) gebracht. Die alte Straße führte u.a. viel näher an der Weidlwanger Mühle
vorbei, an der seit 2001 die sehenswerte Kapelle zum guten Hirten
steht.
Bis zum 1. Mai 1978 gehörte das
Dorf Weidlwang zur Gemeinde Nasnitz. Seit der Gemeindegebietsreform
ist es ein Ortsteil der Stadt
Auerbach i.d.OPf..
Bei Weidlwang gemachte Funde deuten darauf hin, dass schon in der Mittleren (ca.
8.000 bis 4.000 v. Chr.) und in der Jüngeren Steinzeit (ca. 4.000 bis 1.800 v.
Chr.) hier am Pegnitzufer vereinzelt Menschen gewohnt haben; eine geregelte
Besiedelung erfolgte sicher erst später.
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In der Gründungsurkunde (1, Seite 50ff)
des Klosters
Michelfeld
vom 6. Mai 1119
jedenfalls ist der Ort
neben vielen anderen
unserer Gegend aufgeführt:
Wideluwanch.
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Auch die zweite Silbe des Ortsnamens -wang lässt auf eine für unsere
Gegend relativ frühe Ansiedlung schließen. Ein mit Weiden bewachsener
Wiesengrund, so kann man den Ortsnamen übersetzen.
Das Wahrzeichen von Weidlwang ist der Kanonier
Der hölzerne überlebensgroße Soldat hält
gleichsam von seinem erhöhten Standort aus Wacht über das Dorf und seine Bewohner, die
ihren Kanonier
deshalb auch schon seit über 350 Jahren liebevoll pflegen. Der Überlieferung nach steht dieser Wächter
schon seit dem Jahre 1649 auf seinem exponierten Platz. Doch wie kam es zu
diesem wohl einmaligen Denkmal?
Während des 30jährigen Krieges (1618-48) kamen die verschiedensten
Soldatenhorden auch in unsere Gegend, verbreiteten Furcht und Schrecken unter
der Bevölkerung, raubten, folterten und mordeten, plünderten und brannten
Anwesen und ganze Ortschaften nieder.
Auch das kleine Dorf Weidlwang hatte schon
gelitten, als sich anno 1635 wieder einmal Truppen näherten. Diesmal waren es schwedische.

Bilder ähnlich diesem gingen den
Dorfbewohnern durch den Kopf, denn die Soldaten beider Seiten fackelten nicht
lange. Und besonders von den Schweden hatten auch die Weidlwanger schon
Schreckliches gehört, z.B. die Sache mit dem später so genannten Schwedentrunk.
Ein bei einem früheren Überfall verletzter kaiserlicher Soldat
war im Dorf zurück geblieben und riet jetzt den Weidlwangern zu einem Täuschungsmanöver.
Auf seinen Rat hin schleppten die verzweifelten Bewohner einen Pflug auf den
markanten und alles überragenden Felsen inmitten ihres Ortes, und stellten ein hölzernes Rohr dazu. Wahrscheinlich postierten sie auch noch
den Oberkörper einer Strohpuppe mit der bairischen Uniformjacke und der
Kopfbedeckung des Soldaten, der ihnen den Rat gegeben hatte, dorthin.
Tatsächlich ließen sich die Schweden durch die
vermeintliche Geschützstellung täuschen, denn sie vermuteten einen gut gerüsteten
und bewachten Ort, und machten deshalb einen weiten Bogen um Weidlwang. So wurde das Dorf
gerettet, wenigstens dieses Mal.
Ganz ungeschoren kam Weidlwang im 30jährigen
Krieg allerdings nicht davon, denn die "Beschreibung der im Landgericht
Auerbach noch bemeierten, sodann hingegen öd und abgeprenten Güter, so durch
das langwierige Kriegswesen und schwere Kontribution ruiniert und öd gemacht
worden" vom 16.10 1648 nennt für Weidlwang insgesamt 11 Anwesen, von denen
nur mehr 4 bemeiert (=bewirtschaftet) wurden, die restlichen 7 aber öd und
abgeprent waren. (2,
Seite 111)

Auf eine ähnliche List wie in Weidlwang sollen die Schweden schon zwei
Jahre zuvor, als sie die Stadt Creußen besetzt hatten, hereingefallen sein:
"Am 25. März (Anm. 1633) griff
er (Anm. der bayerische Reiterführer Johann von Werth)
Creußen zum 4. Mal mit 5.000
– 6.000 Mann an. Er
ließ die Nachricht verbreiten, daß er 2 sehr große Geschütze, die bisher in
Auerbach standen, mitbringen werde und ließ zur Täuschung des Gegners 2 hölzerne
Brunnenrohre auf Lafetten mitfahren. Die Schweden ließen sich wirklich irreführen
und zogen nach Bayreuth ab. Creußen wurde geplündert und bis auf die
Pfarrkirche und eine Kapelle ganz niedergebrannt." (3, Seite 132)

Ein Jahr nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges (1618-48), der
Überlieferung nach am 12. Mai 1649, errichteten die
Weidlwanger
zur Erinnerung an den verwundeten Soldaten, der ihnen damals in ihrer Not
geholfen hatte, ein Denkmal auf dem Felsen: sie stellten einen überlebensgroßen
bairischen Soldaten aus Holz mit Kanone und Fahne auf.

Diesen Stich fertigte um 1835
der Nürnberger Stahl- und Kupferstecher Christian Leonhard Daumerlang (1812-59). Er zeigt das Dorf Weidlwang
mit dem Kanonierfelsen und als Detail eingebaut den "Hawerlstaa",
einen auffälligen Felsen zwischen Nasnitz und Weidlwang.
Schaut man genau hin, merkt man, dass
der Kanonier in die entgegengesetzte
Richtung von heute schaut.
"Zu aller Überraschung
blickt dieser eindeutig nach hinten.
Nach der Überlieferung soll der Feind
aber doch aus Richtung Horlach
erwartet worden sein. Das ist nämlich
die Richtung, in die der Kanonier
heute schaut.
Sollte der Feind damals
vielleicht aus Richtung Penzenreuth
gekommen sein?" (4)
(zur
Orientierung) |
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Der Kanonierverein
Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde der Kanonier von den Dorfbewohnern
immer wieder mal frisch angestrichen oder ganz erneuert.
Im Jahre 1913 gründeten die Weidlwanger den Kanonierverschönerungsverein,
dessen oberstes Ziel natürlich die Erhaltung des Dorfsymbols war und bis heute ist.
Aufnahme fanden zunächst nur Burschen und Männer "unbescholtenen
Charakters", heute sind auch weibliche Mitglieder gern gesehen. 1921 am 17.
Juli wurde der Überlieferung nach fünfte Kanonier auf seinen weithin
sichtbaren Standplatz gestellt. Im sog. 3. Reich musste er natürlich eine dem
Hitlerregime gemäße Fahne erhalten. Die nächsten Wachablösungen
erfolgten 1939 und 1961, so dass der oben abgebildete Kanonier schon wieder gut vier
Jahrzehnte bei Wind und Wetter auf dem Buckel hatte. Der Verein hatte deshalb
beschlossen, zu seinem (fast!) 90jährigen Bestehen im Jahr 2002 das Wahrzeichen des Dorfes wieder zu
erneuern.
Großes Fest im
Juli 2002
Am Samstag, dem 13. Juli 2002, hieß es für den altgedienten Kanonier Abschied
nehmen von seinem Felsen; ein Kran hob ihn um 14.00 Uhr zum verdienten
Ruhestand herunter. Anschließend war natürlich Festbetrieb unter dem
Felsen, denn ein solches Ereignis muss einfach auch besonders gefeiert werden.
Am Tag darauf fand um 9.00 Uhr ein sehr gut besuchter Festgottesdienst im Dorf
statt.

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Am Sonntag,
den 14. Juli 2002
gegen 14.00
Uhr
wurde dann
dieser neue Kanonier
(Höhe
3,06 m,
Gewicht 800 kg)
von einem Hubschrauber
auf den Felsen
gehievt. |
Mit einem
Festbetrieb unter den Augen und im Schutz des neuen Kanoniers gleichsam ließen der Kanonierverein,
die Dorfbewohner und zahlreiche Gäste aus Nah und Fern das große Ereignis der
Wachablösung anlässlich des (vorgezogenen) Vereinsjubiläums im Juli 2002 ausklingen.
17ak.jpg)
Für
einige Jahrzehnte wird der neue Kanonier "als Mahnmal des Friedens",
wie der damalige Landrat Armin Nentwig bei der Feier am 14. Juli 2002 sagte, nun bestimmt
wieder an der Nahtstelle zwischen Oberfranken und der Oberpfalz den traditionellen Wachdienst
über Weidlwang ausüben.

verwendete
und
weiterführende Quellen
1 |
Weber,
Rudolf, 900 Jahre Kloster Michelfeld, Auerbach 2019 |
2 |
Schnelbögl,
Fritz, Auerbach in der Oberpfalz, Auerbach 1976 |
3 |
Helml, Stefan, Die
Oberpfalz im 30jährigen Krieg, Sulzbach-Rosenberg 1990 |
4 |
Kugler,
Hans-Jürgen, Die zwei Gesichter, in Nordbayerischer Kurier, 28. Januar
2004 |

letzte Bearbeitung dieses Artikels am 3. Juli 2021 
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