| |
Das amerikanische Lager
für deutsche Kriegsgefangene,
insbesondere ehemalige SS-Angehörige
Am
19. April 1945 besetzten Truppen der 11. US-Panzerdivision des XII. Korps der 3.
US-Armee Lager und Stadt Grafenwöhr. Sie waren über Forchheim, Pegnitz und
Auerbach an die Westgrenze des Truppenübungsplatzes vorgestoßen und hatten zunächst
das Westlager bei Bernreuth eingenommen, wo zu diesem Zeitpunkt schon kein
deutscher Soldat mehr war.
|
General Rupprecht (Foto)
übergab den Truppenübungsplatz Grafenwöhr
am 20. April 1945 an die Amerikaner.
Er, wie die noch anwesenden deutschen Soldaten,
kamen in Gefangenschaft.
|
Der
gesamte Übungsplatz mit den Lagern wurde sofort unter amerikanische Verwaltung
und Hoheit gestellt, unter der er heute (2010) immer noch ist.
Einrichtung des
Gefangenenlagers
Die ersten
Kampftruppen der US-Armee blieben nur kurze Zeit in Bernreuth und zogen bald
weiter. An ihre Stelle kam kurz darauf ein amerikanisches Versorgungs- und
Nachschubbataillon, das aus etwa 800 bis 1.000 farbigen Soldaten bestand und
mehrere Monate blieb; die US-Army trennte ihre Truppen damals noch streng nach
der Hautfarbe. Die Soldaten zogen ins ehemalige Arbeiterlager ein, da das Westlager
bereits als Gefangenenlager vorgesehen und reserviert war.
Dieses
Westlager funktionierten die Amerikaner nun um in das "Prisoner of War
Enclosure Auerbach" oder wie es auch hieß "POW Camp 24".
Blick vom Bühlberg südöstlich des alten
Dorfes Bernreuth auf das Westlager; im Vordergrund sind mehrere Stallungen für
Pferde zu sehen.
In
das früher nicht umzäunte Militärlager kamen jetzt deutsche Kriegsgefangene: Frauen, normale Soldaten wie
der spätere Literaturnobelpreisträger Günter Grass
und insbesondere auch ehemalige SS-Angehörige. Als erstes mussten die
Gefangenen unter strengster Bewachung das gesamte Areal mit einem
Stacheldrahtzaun umgeben. Etwa alle 50 Meter wurde ein Wachturm errichtet, und
nachts war das ganze Lager gleißend hell beleuchtet.
|
Mit
zu den ersten Häftlingen
im US-Lager Bernreuth
gehörten etwa 3.500 Frauen,
die im Krieg als Sanitäts-Schwestern,
Flak- oder
Nachrichtenhelferinnen
usw. eingesetzt waren. |
Das spezielle „SS-Lager Auerbach“ war im Frühjahr 1946 mit
fast 10.500 Gefangenen eines der größten Lager für ehemalige SS-Angehörige.
|
Der
sicher bekannteste
Lagerinsasse war Günter
Grass,
der 1945 als knapp Achtzehnjähriger
nach einer Verwundung in der
Lausitz
über Marienbad und
Kloster Tepl
hierher nach
Bernreuth kam. |
Günter
Grass bekam 1999 den Nobelpreis
für Literatur.
Er erinnerte
anlässlich einer Lesung in Auerbach Ende 2003
an seinen Häftlingsaufenthalt
im Lager Bernreuth.
Aus dem Lager ...
Es war sicher ein hartes und entbehrungsreiches Leben (auch) im amerikanischen
Kriegsgefangenenlager Bernreuth. Und wie andernorts haben auch hier immer wieder
einzelne Gefangene oder ganze Gruppen zu fliehen versucht.
Zeitzeugen haben von einer solchen Massenflucht aus dem POW Camp Bernreuth
berichtet. "Da Lagerkleidung rar war,
gaben die Amerikaner an die Inhaftierten zum Teil US-Uniformen aus.
|
Als sich eines Tages die
Gelegenheit ergab,
schnappten sich 50 Häftlinge
einen Transporter, der eigentlich
die Wachablösung aus dem Lager
fahren sollte und passierten
das Lagertor unbehelligt. |
Die Flucht wurde erst
Stunden später bemerkt, den Gefangenen nach diesem Vorfall allerdings das
Tragen von US-Uniformen wieder versagt." (1, Seite 624)
Ebenfalls
Zeitzeugen erzählten,
dass die Amis die Gefangenen
relativ menschlich behandelten
und auch manchen Kontakt am Zaun
mit Einheimischen oder Angehörigen,
die den Inhaftierten etwas zusteckten,
großzügig "übersahen". |
|
Das
soll sich aber radikal geändert haben, als die Amerikaner den Wachdienst am
Lagerzaun Anfang 1946 einer polnischen Firma übergeben hatten. Diese Posten
schossen auch auf Zivilisten, "welche außerhalb des Zauns
versuchten, ihren Angehörigen unter den Gefangenen zu finden oder einmal zu
sehen. Ein anderes Mal schossen nach Aussage eines Zeitzeugens betrunkene
polnische Wächter blindlings auf eine Baracke und töteten dabei sieben
Deutsche, welche sich darin befanden." (1, Seite 624)
|
Post!
Ein Lichtblick
im tristen Lageralltag. |
Auch von einem Vorfall am Karfreitag 1946 (19. April) erzählten Einheimische:
"An diesem Tag fielen
Gefangene einem Giftanschlag zum Opfer, der von einer israelitischen
Terrorgruppe initiiert worden war. Eine Meuterei der Inhaftierten wurde nur
knapp verhindert. Die Ursache des Giftanschlags, der nicht der einzige in
Deutschland war, kam erst in den vergangenen Jahren ans Licht der Öffentlichkeit."
(1, Seite 624)
Was war geschehen? Wenige Tage vorher, in der Nacht auf den 14. April
1946, waren Angehörige der "Nakam"
in eine Bäckerei in Nürnberg eingedrungen. Die Nakam war eine jüdische
Organisation, die sich 1945 das Ziel gesetzt hatte, unter Abba
Kovner Rache für den Holocaust
zu üben. In diesem Sinne bestrichen die Eindringlinge mehrere Tausend für die
Gefangenen im Internierungslager Langwasser bestimmten dunklen Brote mit Arsen.
Bei dieser Aktion "Todesbrot" wurde zwar niemand getötet, aber ein
paar Tausend Gefangene, meist frühere SS-Angehörige, litten an
Vergiftungserscheinungen, Hunderten musste der Magen ausgepumpt werden, und
einige verloren kurzzeitig ihre Sehkraft.
"In Bernreuth war die gleiche Gruppe am Werk, sie behandelten
das Brot für die deutschen Gefangenen in der Nacht vom 18. auf 19. April 1946.
Ob es Todesfälle gab, konnte trotz aller Bemühungen nicht in Erfahrung
gebracht werden." (1, Seite 625)
|
Die Kriegsgefangenen
fertigten auch
kleine Handarbeiten,
wie diesen Spruch.
Auf der Rückseite steht:
Kriegsgefangenen-Lager
Auerbach 1946, PWE 24 |
Der
Kriegsgefangene Erhard M. hielt über seinen Aufenthalt im US-Gefangenenlager Bernreuth
fest: "Fast
nichts zu essen – von Wurzeln + Blättern sich ernährt. Wenn die dunkelhäutigen
Amerikaner nicht gewesen wären, wären viele verhungert. Im August kam eine
humanitäre Organisation. Die Hinfälligsten kamen in ein Lazarett - ich war
dabei - und wurden langsam etwas aufgepäppelt." (2)
Der ehemalige deutsche Soldat Erhard M. wurde Mitte Mai 1946 aus dem Lager Bernreuth
in die Freiheit entlassen.
Ende
des amerikanischen Gefangenenlagers
Das amerikanische Kriegsgefangenenlager im ehemaligen Westlager Bernreuth war
nicht lange in Betrieb, es war eher ein Durchgangslager. Schon im Laufe der nächsten
Monate wurden die meisten Gefangenen verlegt bzw. nach Hause entlassen, und das Lager leerte sich allmählich
wieder. Als Mitte 1946 die letzten Kriegsgefangenen – SS-Offiziere – nach
Regensburg überführt wurden, stand es schließlich einige Monate leer.
Im März 1947 schickte die Lagerleitung des US-Internierungslagers Regensburg
einen Trupp von 60 Gefangenen und 17 Wachsoldaten nach Bernreuth. Sie sollten
sich um den Erhalt der Straßen und Wege kümmern und vor allem die Baracken des ehemaligen
Westlagers abbauen und verkaufs- bzw. versandfertig machen.
Untergebracht waren die Kriegsgefangenen wieder in einigen der Baracken des
jetzt viel zu großen Camps. "Der Zaun, der das Lager umgab, war mittlerweile so schadhaft
geworden, daß manch Internierter nach dem Abendappell einen Ausflug in die schöne
Nitzlbucher Gegend unternahm. Später schlossen die
Gefangenen sogar Wetten mit den Wachtposten ab, daß sie ungesehen aus dem Lager
herauskommen könnten. Und obwohl die Posten daraufhin des Nachts die Gegend mit
Scheinwerfern ausleuchteten, spazierten Gefangene durch Zaunlöcher hinaus und
meldeten sich dann von außen bei den Soldaten, um den Wetteinsatz zu kassieren.
Diese Geschehnisse und die Tatsache, daß der Krieg schon seit zwei Jahren
beendet war, führten zu einem mehr oder weniger lockeren Lagerleben." (1,
Seite 625)
|
Trotzdem war es immer noch
ein Kriegsgefangenenlager
mit Stacheldrahtzaun,
bewaffneten Wachposten,
Schmutz, Kälte, Ungeziefer,
wenig zu essen,
usw. ... |
Im Mai
1947 allerdings waren ca. 100 Baracken
zerlegt und mit US-Trucks oder mit dem Zug vom Bahnhof
Auerbach aus wegtransportiert worden. Jetzt hatte auch das amerikanische
Kriegsgefangenenlager Bernreuth aufgehört zu existieren.
Da in
diesen ersten Nachkriegsjahren praktisch alle Baustoffe sehr knapp oder überhaupt
nicht erhältlich waren, blühte ein regelrechter Handel mit dem Abbruchmaterial
des Westlagers. Auch nach Auerbach kam sehr viel, u. a. wurden Backsteine der
gemauerten Fundamente der Holzbaracken für den Neubau der Schule am
Schwemmweiher regulär erworben und verwendet.
Dieses Foto des Lehrerkollegiums von 1953
zeigt die noch unverputzte Nordseite des 1951 fertig gestellten und bezogenen
neuen Schulhauses in Auerbach.
Über mir leihweise zur
Verfügung gestellte
Fotos und Informationen
zum US-Kriegsgefangenenlager Bernreuth
würde ich mich sehr freuen, denn ...
... daran arbeite ich gerade.
Bitte etwas Geduld.
verwendete Quellen
1 |
Kugler, Hans-Jürgen,
Nitzlbuch/Bernreuth,
Auerbach 2000 (Bezugsquelle) |
2 |
Privatarchiv, Ulm |
3 |
Truppenübungsplatz Grafenwöhr,
Chronik der ehemaligen Standortverwaltung Grafenwöhr, mehrere Ordner, unveröffentlicht |
letzte Bearbeitung dieses Artikels am 22.
November 2010
Für Ergänzungen, Korrekturen usw.
bin ich sehr dankbar.
Hier können Sie mich erreichen!
|
|
|