Johann Ritter
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Stadtpfarrer Johann Ritter

In einer Chronik der Pfarrei Auerbach muss sicher ein eigenes Kapitel dem Mann gewidmet werden, der in unserer Zeit fast ein halbes Jahrhundert lang an ihrer Spitze stand und überaus segensreich gewirkt hat.

Priesterweihe 1922
Johann Ritter kam am 5. Januar 1899 in Obertrubach in der Fränkischen Schweiz zur Welt. Mit zehn Jahren besuchte er in Bamberg das Gymnasium, von wo aus er im November 1917 zum Militär einberufen wurde. Nach kurzem Einsatz bei der Feldartil­lerie in den Vogesen wurde Unteroffizier Ritter im Spätherbst 1918 zu einem Lehr­gang nach Grafenwöhr einberu­fen, doch eine Woche später war glücklicherweise der 1. Weltkrieg zu Ende. Ab Februar 1919 begann er in München mit dem Studium der Theologie, im Herbst 1920 folgte der Wechsel ins Priesterseminar Bamberg.

Am 2. April 1922 wurde Johann Ritter im Dom zu Bamberg zum Priester geweiht. Die erste Kaplanstelle war St. Bonifaz in Nürnberg, wo ihm der dortige Pfarrer Wolf, ein gebürtiger Auerbacher, den Rat gab, einmal in seiner Heimatstadt die Pfarrei zu übernehmen.

Über Rothmannsthal bei Lichtenfels (1928-1933) kam Johann Ritter zum 16. Dezember 1933 als Pfarrer nach Hopfenohe. Dort baute er die Pfarrkirche St. Peter und Paul 1934/35 gründlich um und an, ehe die Schreckensnachricht über die Ablösung wegen der Erweiterung des Truppen­übungsplatzes die Hopfenoher erreichte. "Es war für mich eine der schwersten Stunden meines Lebens, als ich das Allerheiligste aus der Kirche in Dornbach und Hopfenohe entfernen mußte, die kurz vorher unter so großen Opfern und mit so großer Liebe der Leute erbaut worden war. ... Wie viele Pfarrangehörige fragte auch ich - Herrgott im Himmel, warum läßt Du das zu, daß Deine Heiligtümer zerstört werden?" So schrieb Pfarrer Ritter zurückblickend 1963 in seinem Pfarrbrief. Die Inneneinrichtung der Hopfenoher Kirche kam nach dem Krieg mit Zustimmung von Pfarrer Ritter nach Troschenreuth, da das dortige Gotteshaus im Frühjahr 1945 von ameri­kanischer Artillerie völlig zerstört worden war.

Pfarrer von Auerbach ab 1938
Lassen wir Pfarrer Ritter selber sprechen; "Ich mußte also fort von Hopfenohe und mit schwe­rem Herzen mich nach einer anderen Pfarrei umschauen. Wie ein Wink der Vorsehung war mir bei einer Zusammenkunft das Wort des Geistlichen Rates Kupi­las, der zu mir sagte: 'Ich bin krank, ich muß´auf meine Pfarrei verzichten. Du bist der geeignete Mann, bewirb Dich darum.'"

Der knapp vierzigjährige Johann Ritter folgte diesem Rat und wurde von Erzbischof Hauck mit Wirkung vom 1. November 1938 zum Stadtpfarrer von Auerbach ernannt.

Kirchenrenovierung 1938/39
An seiner neuen Wirkungsstätte warteten schon dringliche Aufgaben auf den wortge­waltigen Priester. So bedurfte die Pfarrkirche einer dringenden Renovierung. Die Finanzierung dieser Maßnahme, einschließlich  des Einbaus einer Heizung, neuer Kirchenbänke, eines neues Pfla­ster und eines elektrischen Geläutes wurde möglich, weil die Ablösung des "Heiligenwaldes" 120.000 Mark einbrachte. "Damals konnte man voraussehen, daß die politische Lage früher oder später zum Kriege führt, darum drängte ich auf beschleunigte Durchführung all der Arbei­ten."
Über das sogenannte "3. Reich" schreibt Johann Ritter u.a.: "Ja, es war für uns Geistliche ebenso wie für alle aufrechten Christen eine gefährliche, und doch wieder eine schöne Zeit, weil auch viel Bekennermut vorhanden war. Das zeigte sich beson­ders bei der Herausnahme der Kreuze aus der Schule. Damals haben Hunderte von Frauen vor dem Rathaus protestiert, haben die Kinder jeden Klasse neue Kreuze gekauft und in der Klasse mit Billigung der Lehr­kräfte angebracht. Die Partei mußte dem Druck nachgeben, die Kreuze kamen wieder hinein, freilich den Ehrenplatz nahm das Hiltlerbild ein, die Kreuze mußten seitwärts aufgehängt wer­den. Der Christ muß Bekennermut zeigen. Wer mich vor den Menschen bekennt, werde ich auch bekennen vor meinem Vater, der im Himmel ist. ... Es gab im 3. Reich viele Versa­ger, viele Wetterfahnen, die sich nach dem Wind der Zeit richteten. Es gab aber auch mutige Be­kenner, unter den Frauen mehr als unter den Männern." Pfarrer Ritter selbst war wegen seines unerschrockenen Auftretens mehr als einmal einer Verhaf­tung nahe.

Gelübde zu Kriegsende
"Immer näher rückte die Front. Und am Ende des Krieges kam auch die Bedrohung für Auer­bach. Als Eingangstor zum Exerzierplatz sollte die Stadt verteidigt werden. Zum Glück wurde dieser Befehl nicht ausgeführt. Ein Paar Tage vor Kriegsende kam die SS nach Auerbach, hat Munition im Mädchenschulhaus - jetzt Bäckerei Bock - gelagert, während ein feindlicher Flie­ger darüber flog. Man erwartete die Bombardie­rung, die aber ausblieb. In diesen letzten Tagen ging ich zum Pinzigberg hinauf, sah, wie mehrere Häuser von Nasnitz in Brand geschossen wurden; da machte ich das Gelübde: Wenn Auerbach verschont bleibt, dann will ich dafür sorgen, daß ein Kreuzweg errichtet wird.
An einem der letzten Tage kam in aller Frühe Herr Roithmeyer zu mir, der damals bei der all­gemeinen Kopflosigkeit die Führung übernahm und sagte: 'Herr Pfarrer, gehen Sie in die Kir­che, geben Sie mit dem Allerheiligsten den Segen, daß der Heiland im Sakrament Auerbach beschützen möge, jetzt wird es kritisch.' Ich tat dies. Es war auch kritisch. Am Gottvaterberg schlugen die Granaten ein, in der Unteren Vorstadt wurden 2 Häuser in Brand geschossen. Da sich aber die deutschen Truppen zurück­zogen, auch im Exerzierplatz kein Widerstand geleistet wurde, zo­gen die Amerikaner an Hitlers Geburtstag, am 20. April in der Frühe kampflos in Auerbach ein.
Wenn alles gut abgegangen ist, so haben wir allen Grund, Gott zu danken. Der Kreuzweg zum Pinzigberg soll eine dankbare Erinnerung an diese schwere, glücklich überstandene Zeit sein, soll aber auch eine Mahnung sein, im eigenen Kreuz und Leid fest auf Gott zu vertrauen und in der Tat zu befolgen, was die schönen Verse auf den einzelnen Stationen uns sagen."

Bau des Caritasheimes 1948
Pfarrer Ritter war wohl zeitlebens neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit ein guter Organisator und weitblickender "Geschäftsmann", der, wenn er sich ein Ziel gesteckt hatte, dieses mit nahezu unbeirrbarem Eifer auch verfolgte. So war er gerade in den Nachkriegsjahren bemüht, in seiner Pfarrei kräftig mit anzupacken, um kleine und große Probleme zu lösen.
Dazu zuerst eine kleinere Aktion: "Das Erfordernis der Zeit war die Ausübung prakti­scher Nächstenliebe angesichts der großen wirtschaftlichen Not in weiten Kreisen. Es gelang mir, aus den Heeresbeständen der Bulag viele Hundert Uniformen zu erhal­ten, die jahrelang in der Zeit der Kleidernot höchst willkommen waren, vor allem als Anzugstoff für Erstkommunikan­ten. Freilich, viele von denen, die damals froh waren über diese Stoffe, wollen heute nicht mehr daran erinnert werden. Über Pfarrer und Caritas schimpft heute mancher, der in diesen Notzeiten ihre Hilfe in Anspruch nahm."
Sein erstes großes Ziel war die Errichtung eines Caritasheimes, denn "die Pfarrei hatte kein eigenes soziales Gebäude, in dem sie einen armen oder alten Menschen verpflegen oder über­nachten lassen konnte. Sie hatte für ihre Jugend, für die Vereine keinen Versammlungsraum. Zum Wesen der Kirche gehört auch die soziale Liebes­tätigkeit, zur Entfaltung des religiösen Lebens auch das außerkirchliche Vereinsle­ben. Dazu ist ein entsprechendes Gebäude nötig." Nach großen Schwierigkeiten, die u.a. zu einem mehrere Jahre dauernden Streit zwischen Kir­che und Rathaus führten, konnte im November 1948 das Caritasheim bezogen werden.

Das Caritasheim (Foto um 1965)
wurde ab 1994 gründlich umgebaut
und erweitert und schließlich
am 16. Oktober 1996 als
Alten- und Pflegeheim St. Hedwig
neu eingeweiht.

Schulschwestern in Auerbach
Dem Weitblick von Pfarrer Ritter ist es zuzuschreiben, dass sich 1948 die Schul­schwestern von Unserer Lieben Frau hier in Auerbach niederließen. Die Kongregation war aus Marienbad ver­trieben worden und fand zunächst in Michelfeld eine vorüber­gehende Bleibe. Die dortige Oberin Neria, eine gebürtige Auerbacherin, schilderte Pfarrer Ritter die Lage, der sofort schal­tete und zu den heimatvertriebenen Schwe­stern sagte: "Sie können sofort das Spital überneh­men und wohl auch das Kranken­haus, Ihre Schwestern können als Lehrerinnen in der Schule angestellt werden. Ist das Caritasheim fertig, dann stelle ich Ihnen einen ganzen Stock zur Ver­fügung." So kamen die Schwestern nach Auerbach und wohnten zunächst im Caritasheim, be­vor sie am 1. Oktober 1953 ihr neues Mutterhaus beziehen konnten.
Heute unterhalten die Schulschwestern eine Realschule und das Haus St. Josef. Darüber hinaus sind sie in der St.-Johannes-Klinik und im Kindergarten tätig. Welcher Segen von unseren Schwestern seit ihrer Ankunft 1948 hier in Auerbach auf unsere Heimat ausgegangen ist, braucht wohl nicht besonders betont zu werden.

Häuser für kinderreiche Familien
Nachdem in den Jahren 1953 bis 1955 der Pfarrsaal errichtet worden war, hatte Pfarrer Ritter schon wieder ein neues Problemfeld im Auge: "Aus der Sorge für die Kinder ist der Gedanke geboren, Häuser für kinderreiche Familien zu bauen. Die Kirche muß immer dort eingreifen, wo Not ist. ... Die größte Not unserer Zeit ist die Wohnungsnot kinderreicher Familien, die nicht über ein eigenes Haus verfügen. Einmal sind große Wohnungen eine Ausnahme. Wei­terhin sind die Mieten bei größeren Wohnungen für minderbemittelte Familien untragbar. Vor allem wollen die Hausherren nicht Familien mit mehreren Kindern." Von dieser Überlegung her entstand 1956 in der Josefstraße das erste "Kinderreichenhaus" mit sechs Wohneinheiten, 1959 und 1962 folgten zwei weitere mit jeweils sieben Wohnungen. Die Miete wurde dabei so niedrig wie möglich gehalten.

Kindergärten, Altenwohnheime usw.
Pfarrer Ritter hatte alle Personen- und Altergruppen seiner Pfarrei, ja der gesamten Bevölke­rung im Auge und schätzte deren Lage realistisch ein. Ganz egal ob über Caritasverein oder Kirchenstiftung, irgendwie gelang es ihm immer wieder, das Geld für neue und dringende Projekte aufzubringen.
1965 konnten die ersten Seniorinnen und Senioren ins Hochhaus einziehen, wenig später, 1972,  öff­nete daneben das "Frauenhaus" für allein stehende Frauen seine Pforten; 1969 konnte der Fatima-Kin­dergarten in der Wellucker Straße eröffnet wer­den.

Der Marienkindergarten beim Caritasheim konnte 1974 eingeweiht werden.

Auch die Einweihung des Kolpinghauses 1983 war nur möglich, weil Pfarrer Ritter das ehemalige Dr.-Merkl-Haus erworben und Kol­ping zur Verfügung gestellt hatte.
All diese Projekte, die unter der Regie von Johann Ritter nach dem 2. Weltkrieg in Auerbach durch die Pfarrei in Angriff genommen und durchgezogen wurden, wären eigentlich Aufgaben für die politische Gemeinde gewesen; der Stadt wurde durch ihn viel abgenommen. Aus dieser Erkennt­nis heraus wollte der Stadtrat Pfarrer Ritter auch zum Ehrenbürger ernennen, was er allerdings in seiner Bescheidenheit nicht angenommen hat. So wird nun namentlich wenig­stens eine "Pfarrer-Ritter-Straße" im Neubaugebiet am Rosenhof an den Mann erinnern, der 48 Jahren hier in Auerbach gewirkt hat.

Kirchen und Wallfahrten
Pfarrer Ritter sorgte nicht nur dafür, dass in seiner eigenen Pfarrei etwas bewegt wurde. Er ver­stand es immer wieder, bei seinen Gläubigen Herz und Geldbeutel zu öffnen, um auch in der weiten Welt Kirchen und soziale Bauten zu finanzieren; ein großer Teil dieser Gelder kam aus seiner eigenen Tasche, denn er war äußerst sparsam und praktisch bedürfnislos. Auf diese Weise wurden u. a. Kirchen gebaut in Afrika, in Korea und in Polen.
Gerne erinnern sich Teilnehmer an die mit Pfarrer Ritter durchgeführten Fahrten, sei es nach Altötting, nach Rom, nach Fatima, nach Lourdes oder zu einem der anderen Wallfahrtsorte des In- und Auslands.

Einer der Höhepunkte im Leben von Pfarrer Ritter war es sicher, dass er bei einer solchen Romfahrt im August 1983 zusammen mit dem damaligen Heiligen Vater Papst Johannes Paul II. (+ 2005) in dessen Hauskapelle in Castel Gandolfo die hl. Messe feiern durfte. Die Auerbacher Pilgergruppe wurde von dem aus Polen stammenden Papst sogar in einer Privataudienz empfangen.

Der Seelsorger
Neben all diesen Aktivitäten war Pfarrer Ritter in erster Linie natürlich Seelsorger. Da diese Tätigkeit nicht so leicht mit Zahlen und Fakten aufzuzeigen ist wie Bauwerke, muss dieses Kapitel bei seiner Würdigung gezwungenermaßen kürzer ausfallen. Was sagen schon Zahlen über durchgeführte Taufen, Hochzeiten oder Begräbnisse, über zelebrierte Gottesdienste und gehaltene Predigten, ausgeteilte Kommunionen, Stun­den im Beichtstuhl, tröstende und auf­bauende Worte im persönlichen Gespräch? Was sagt schon die Anzahl der Priester- und Or­densberufe, die in diesen Jahrzehnten aus der Pfarrei hervorgegangen sind?

"Nun, ich habe mich bemüht, so weit es mög­lich war, bei der menschlichen Armseligkeit und Gebrechlichkeit ein ganzer Priester zu sein. Ich habe mich bemüht, Euch die ganze Wahrheit zu künden, gemäß dem Apostelwort: Pre­dige, ob gelegen oder ungelegen, ob es den Leuten paßt oder nicht ... Ich habe Euch immer wieder eingeladen, aus den Quellen lebendigen Was­sers zu trinken im Empfang der heiligen Sakramente. Ich habe Euch immer wieder aufgefordert zum Lobpreis Gottes im Besuch der Gottesdienste. Schau ich zurück, so möchte ich mit der Gottesmutter ausrufen: Hochpreiset meine Seele den Herrn, Gro­ßes hat an mir Gott getan! Ja, viel Großes und Gutes ist geschehen, aber der Herr hat es getan. Manchmal sah ich sichtbar dieses Eingreifen und den Segen Gottes. Darum Gott die Ehre!"

Pfarrer Johann Ritter starb am 18. Oktober 1986 im 88. Lebens- und 65. Priesterjahr und hat im Priestergrab auf dem Auerbacher Friedhof seine letzte irdische Ruhestätte gefunden.
(Die wörtlich angegebenen Textstellen entstammen dem Auerbacher Pfarrbrief vom Mai 1963)

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letzte Bearbeitung dieses Artikels: 10. Juli 2006

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