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„Aus
der Geschichte der ehemaligen Gemeinde Gunzendorf“ Unter dieser Überschrift
schildert der aus Ohrenbach stammende Rektor i.R. Andreas Dimler (+2010) 1984 in der
Festschrift anlässlich der 100 Jahrfeier der Freiwilligen Feuerwehr Gunzendorf
auch die weitere Entwicklung des Dorfes. Mit freundlicher Genehmigung durch den
Verfasser wird ein Teil des sehr guten Artikels hier wiedergegeben.
(1)
Die Bilder habe ich eingefügt.
(R. Weber)
Der
Weg Gunzendorfs in die Neuzeit
"Die
Neuordnung der Gemeindeverfassung 1818 und deren Änderung 1869 brachte die
politischen Gemeinden Steinamwasser und Gunzendorf. Der 1. Bürgermeister in
Gunzendorf hieß Kraus, in der Gemeinde Steinamwasser
Reindl.
Zum Schutz von Hab und Gut entstanden wie überall auch in den beiden Gemeinden
Pflichtfeuerwehren. 1884 gründete Lehrer Dötterl mit einigen Gunzendorfer Männern
die Freiwillige Feuerwehr Gunzendorf.
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Gerätehaus
und Schulungsraum
der Feuerwehr
Gunzendorf |
Langsam machten sich bei den Bauern bescheidene Neuerungen bemerkbar. Die Sichel
wurde von der Sense abgelöst. An die Stelle der Dreschflegel traten die „Stiftenmaschine“
und die „Wurfmühle“. Um die Wende zum 20. Jahrhundert kam der Wendepflug;
die eiserne Egge, Sämaschine und Grasmäher folgten.
Diese Sämaschine
war schon ein
großer Fortschritt
für dier
bäuerliche Arbeit.
(Foto) |
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Auf der Gemeindeflur bei
der Espamühle wurde weiterhin Torf gestochen. Am Nordhang des Pinzigberges
wurde Rötel gegraben.
Ohrenbach und Gunzendorf bauten noch vor dem 1. Weltkrieg
eine Wasserleitung. Erste Fahrräder tauchten auf.
(aus der Zeit des ersten Weltkrieges)
Diese langsame Modernisierung wurde durch den 1.
Weltkrieg jäh unterbrochen. Die wehrfähigen Männer mussten in den Krieg,
Frauen, Kindern und Kriegsgefangene bewirtschafteten so gut es ging die Felder.
Als dann 1918 dieses schreckliche Völkermorden beendet war, betrauerten die
Bewohner der 4 Orte 14 Tote.
Mit neuern Mut ging das Leben weiter. 1919 wurde der Kriegerverein gegründet.
Wegen des unsicheren Geldwertes mußte die Fahne dem Kloster
Michelfeld mit 40 Ztr. Getreide bezahlt werden. Unter Lehrer Hofmann
entstand ein Gesangverein. Ein Burschenverein bereicherte das gesellschaftliche
Leben.
Schwer drückte die Weltwirtschaftskrise
auch auf die Landwirtschaft und gar mancher Bauer geriet immer mehr in Schulden.
So kam es, daß auch manch junger Mann der Gemeinden Gunzendorf und
Steinamwasser das braune Hemd der SA anzog, angesteckt vom Zeitgeist. Als dann
nach der Machtergreifung
Pfarrer Hänfling 1916 -1933 in „Schutzhaft“ genommen wurde, kamen doch
manchem Bedenken.
(Ansicht von Gunzendorf um 1930; Foto Archiv Ludwig Götz)
Noch
1933 begann der Bezirk die Straße Auerbach-Gunzendorf zu bauen, und viele
Arbeitslose fanden Arbeit. Damit war für viele die Welt wieder in Ordnung. Wie
notwendig dieser Straßenbau war, kann man heute kaum mehr erahnen. Die
Ortsverbindungswege waren an vielen Stellen so eng und so schlecht wie Feldwege.
Gar manches mal ließ der Arzt aus Auerbach sein Auto am Eichelberg bei Reichenbach
stehen und ging zu Fuß weiter. Für die Fußgänger verlief neben der Straße
ein Gehweg.
Die Bauern konnten nun auch wieder günstiger wirtschaften. Schon 1928 hatten
sich 10 Bauern aus Ohrenbach, Steinamwasser,
Ortlesbrunn und Ranzenthal
zu einer Zuchtgenossenschaft zusammengeschlossen. Einige junge Männer hatten
schon ein Motorrad.
Die große Politik erreichte nur wenige Bürger durch die Zeitung. Das Radio
war noch weitgehend unbekannt.
Die Bewohner der 2 Gemeinden hatten andere Sorgen. Noch immer brannten in den
Stuben die Petroleumlampen, und nur wenige Bauern konnten sich einen Dieselmotor
leisten. So waren die Arbeiten auf dem Hof noch mühevoll und beschwerlich.
1935/36 war es dann endlich so weit. Zuerst in Gunzendorf, dann auch in den
Ortschaften Ohrenbach und Steinamwasser brannte elektrisches Licht. Ortlesbrunn
bekam 1939 elektrischen Strom. Wichtiger als das Licht war für viele kleine
Bauern die Kraft. Nun summten überall die Motoren, betrieben die damals so
wichtigen Häckselmaschinen, die Kreissägen und Heuaufzüge. Auf den Feldern
klapperten Heuwender und erste Bindemäher erleichterten die Getreideernte. Im
benachbarten Hammerberg puffte gar schon ein Schlepper.
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Lanz-Bulldog
von 1936 |
Die Modernisierung in
der Landwirtschaft, besonders die neuen Wege in der Rinderhaltung brachten es
mit sich, daß die Dorfhirten in Gunzendorf, Ohrenbach und Steinamwasser in der
Mitte der 30er Jahre ihren Beruf aufgeben mußten.
Viel Gesprächsstoff brachte die Erweiterung des
Truppenübungsplatzes Grafenwöhr 1938. 24 Orte mit fast 2000 Einwohnern aus dem
Amtsbezirk Auerbach wurden aufgelöst.
Und wieder zogen am politischen Himmel schwarze Wolken auf. Am 1. September 1939
brach der 2. Weltkrieg aus. Aber
von der Begeisterung von 1914 war nichts zu spüren. Zu frisch war noch die
Erinnerung an das furchtbare Geschehen. Zwar ließ sich anfänglich die Jugend
von den Erfolgen in Polen, Frankreich und Norwegen täuschen. Als es aber nach
Rußland (Anm.: Fotos)
ging, als immer häufiger die schreckliche Nachricht vom
„Heldentod“ eines Sohnes, eines Vaters kam, als feindliche Flieger tief in
die Heimat eindrangen, als Nürnberg zerstört wurde, wurden die Mienen immer
bedenklicher. Ungläubig schüttelten die Jungen den Kopf, wenn sie die Alten
von den Schrecken der KZ's munkeln hörten. Als dann 1945 dieses furchtbare Völkermorden
beendet war, war für viele nicht nur Deutschland geschlagen, für sie war eine
Welt zusammengebrochen. Hatte doch die nationalsozialistische Erziehung in ihnen
ein ganz anderes, wirklichkeitsfremdes Weltbild entstehen lassen.
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In die beiden Gemeinden
kamen die
amerikanischen Kampftruppen
am Abend des 19.
April 1945.
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Nirgends war durch Fremdeinwirkung Schaden entstanden. Unsere
Heimatgemeinden waren nochmals davongekommen. Ungeheuer, schrecklich war jedoch
der Blutzoll. Kaum eine Familie oder Verwandtschaft, die nicht einen Toten zu
beklagen hatte. 41 Männer und 1 Frau mussten ihr junges Leben lassen. Viele Männer
waren noch in Gefangenschaft.
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Für die in den beiden Weltkriegen
Gefallenen der Pfarrei
wurde 1958
vor dem Haupteingang der Kirche
eine
kleine Gedenkkapelle
mit dieser Pieta-Gruppe
errichtet. Auf Steintafeln
sind
die Namen der Toten zu lesen. |
Der
Weg in die Gegenwart
Sogleich nach dem Einmarsch der Amerikaner wurden die Bürgermeister abgesetzt,
die Landratsämter geschlossen. Die ehemaligen Kriegsgefangenen und Arbeiter aus
den von den Deutschen besetzten Staaten hatten ihre Arbeitsstätten verlassen
und teilweise in Bernreuth, im ehemaligen Westlager
des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr Quartier genommen. Wenn es zwischen diesen
ausländischen Männern und ihren ehemaligen deutschen Arbeitgebern meist zu
einer friedlichen Trennung kam, so war das die Folge, daß sie in der zurückliegenden
Zeit gut behandelt worden waren. Mit dem Einmarsch der Sieger war auch das
Wirtschaftsleben fast völlig zusammengebrochen. Konnte man während des Krieges
lebensnotwendige Dinge wie Kleidung und Nahrung noch auf Marken und Bezugschein
kaufen, so blühte nun der Schwarzmarkt,
der Tauschhandel: 1
Feile - 3 Eier, 1 Kreissägenblatt - 2 Pfd. Butter, 1
Fahrrad für eine Flasche Schnaps, die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
Doch es waren nicht nur Schwarzhändler, die die Dörfer durchstreiften. Immer häufiger
kamen Städter, die für entbehrliche Wäsche oder Schmuck lebensnotwendige
Nahrung, besonders Fett, eintauschten, um die größte Not zu lindern. Das Geld
hatte seinen Wert weitgehend verloren.
Die Ami-Zigarette
war als Ersatzwährung
weit kaufkräftiger.
Sie entsprach bald einem
Geldwert von 3 - 5 RM.
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Wer nichts zu tauschen hatte und nicht Selbstversorger war, konnte oft nicht
mehr satt werden.
So gab es in der 99. Zuteilungs-Periode (2.3. -29.3.47) pro Person in der
amerikanischen und britischen Besatzungszone folgende Rationssätze:
Brot
10750 g
Fisch 500 g
Nährmittel 1000 g
Käse 125 g
Kaffee-Ersatz 125 g
Milch entrahmt 3 Liter
Fleisch 600 g
Zucker 500 g
Fett 200 g Kartoffeln
12000 g
Lebensmittelmarken wurden in der BRD am
31.3.1950 abgeschafft.
...…
Noch 1945 setzte der Amerikaner Bürgermeister ein, Männer, die nicht bei der NSDAP
sein durften. lm gleichen Jahr wurden wieder politische Parteien zugelassen und
in den Ländern Regierungen eingesetzt.
In der Gemeinde Gunzendorf wurde Karl Schwindl Bürgermeister und in der
Gemeinde Steinamwasser Kaspar Götz. 1946 begann der demokratische Aufbau durch
Wahlen.
Bürgermeister in der nun aus den 4 Orten Gunzendorf, Ohrenbach, Ortlesbrunn und
Steinamwasser gebildeten Gemeinde Gunzendorf wurde Karl Schwindl. Landrat war
der Kalkwerksbesitzer Prüschenk aus Kirchenthumbach.
Bayern bekam eine Verfassung und eine demokratisch gewählte Regierung. Nach und
nach normalisierte sich das Leben. Die Jugend suchte die Geselligkeit. Bei Dünnbier
und selbstgebautem Tabak traf man sich zum Tanz. Als dann für uns alle
überraschend
am 20.6.1948 die Währungsreform
kam, erhielt jeder Bürger 40,-- DM.
Diese Banknote wurde erst 1964 durch eine neue ersetzt
„Momentan“ waren alle gleich reich. Wie
durch ein Wunder waren über Nacht die Schaufenster gefüllt. Langsam begann der
wirtschaftliche Aufschwung. Das „Wirtschaftswunder“ begann. Die Industrie
produzierte und der Bürger wußte wieder, warum er arbeitete. Bald drängte die
Industrie auch für die Landwirtschaft mit neuen Maschinen auf den Markt. Schon
1950 kamen die ersten Schlepper in die Gemeinde. Vorerst waren es aber nur
„Zugmaschinen“ d. h. es wurden einfach die Geräte, die vorher von Pferd
oder Rind gezogen wurden, an die Schlepper angehängt. Erst nach und nach
folgten die „Anbaugeräte“.
Der Markt lieferte nun auch den so heiß begehrten „Kunstdünger“ und die
Bauern konnten endlich wieder „produzieren“.
Waren in der Vergangenheit auch kleinere Grundstücke mit Zugtieren gut zu
bewirtschaften, so gab es nun doch Schwierigkeiten mit den modernen Maschinen.
Zudem waren die Feldwege teils so eng, daß sie mit den großen Geräten nicht
befahren werden konnten. So war es nur verständlich, daß sich in den Orten
Gunzendorf, Ortlesbrunn und Ohrenbach 1960 eine Mehrheit für die Flurbereinigung
fand. 1971 war dieses „Jahrhundertwerk“ abgeschlossen. Leider vergaß man
damals im Übereifer sehr häufig die Natur. Ohne Hemmungen wurden Biotope zerstört,
wurde den Vögeln und Tieren der Heimat der Lebensraum genommen.
Wie schon früher geschrieben, hatten die Gunzendorfer und Ohrenbacher schon
eine Wasserleitung. In Ortlesbrunn hatten die einzelnen Bauern eine
Privatleitung. Schlimmer war es in Steinamwasser. Zwar gab es Wasser in Hülle
und Fülle, aber Quellwasser war Mangelware. 1952 wurde nun eine neue
Wasserleitung für die 4 Ortschaften gebaut. Diese neue Wasserleitung war aber
nicht nur wichtig für die Trinkwasserversorgung. Sie brachte auch eine
Verbesserung des Feuerlöschwesens.
Das
Leben ging weiter, Kirche und Schule waren weiterhin der Mittelpunkt der
Gemeinde, der Landrat war in Eschenbach, alles schien weiterzugehen, wie es war.
Man baute eine neue Schule mit 2 Sälen; Teile des Materials holte man 1958 vom
nicht mehr fertiggestellten Rohbau des für Dorf und Lager Bernreuth
geplanten Schulhauses." (1)
Großbrand 1964
"Wie in ganz
Europa, so war auch in Deutschland im Jahre 1964 der Sommer extrem heiß und
trocken. In den ganzen meteorologischen Aufzeichnungen war ähnliches nicht
vorzufinden. Dass da die Gefahr von Feuersbrünsten groß war, lag auf der Hand.
Und wie viele andere deutschen Orte blieb auch Gunzendorf nicht verschont.
...
In
der Nacht vom Donnerstag 16. Juli 1964 suchte ein Großbrand unser sonst so
friedliches Dörfchen Gunzendorf heim. Gegen 9 Uhr abends nahmen mehrere
Dorfbewohner Brandgeruch wahr in der Nähe des Anwesens Preininger [Haus Nr. 9]."
(2, Seite 149)
historische Karte aus
BayAtl
Bald brannte das Anwesen 9
(beim Preininger) lichterloh und brannte völlig nieder. Ebenso das Gehöft 8
(beim Schwendner). Von Nr. 7 (beim Haberberger) brannten Scheune und Stall, das
Wohnhaus wurde verschont. Sehr gefährdet waren 6 (ehemalige Schmiede;
Lautenschlager) und 17 (Pfarrhof).
"Gottseidank kam
weder von den Haberbergers noch vom ganzen Dorf jemand ums Leben und
Verbrennungen oder Rauchvergiftungen trug auch niemand davon. Während auch der
Viehbestand weitgehend gerettet werden konnte, wurden doch Scheune und Ställe
des Haberberger Hofes mit einem Großteil der Geräte und Vorräte ein Raub der
Flammen. Die Nachbarn, die Familien Preininger und Schwendner,
traf es noch härter. Sie verloren dazu noch ihre Wohngebäude mitsamt fast dem
gesamten Hab und Gut."
(2, Seite 150f)
pdf-Datei
"Da sprach man auf einmal von
„Schulreform“. Die ein- und zweiklassigen Dorfschulen sollten verschwinden.
1969 kam das Aus für die „Zwergschulen“. Der Schulbus bringt seitdem die
Schüler nach Auerbach.
Kaum war dieser „Schreck“ überwunden, da tauchte schon das nächste
„Unheil“ mit dem Namen Gebietsreform auf. Mancher Bürger meinte, man müßte
sich wehren, man müßte sich mit anderen Landgemeinden zusammenschließen, um
dem „drohenden Anschluß“ (Eingemeindung) an die Stadt Auerbach zu
entkommen. 1972 war die Landkreisreform abgeschlossen. Der Landkreis Eschenbach
wurde aufgelöst. Das Gebiet um Auerbach, also auch die Gemeinde Gunzendorf kam
zum Landkreis Amberg-Sulzbach.
1978 kam dann das Ende der Gemeinde Gunzendorf. Das ganze Umland wurde nach Auerbach
eingemeindet.“ (1)
verwendete
und weiterführende Quellen
1 |
Dimler,
Andreas, Aus der Geschichte der ehemaligen Gemeinde Gunzendorf, in
Festschrift anlässlich der 100 Jahrfeier der Freiwilligen Feuerwehr
Gunzendorf, 1984 |
2 |
Mark J.
Haberberger, Familie,
Bauernhof, Glaube und Krieg, Eine deutsch-amerikanische Familiengeschichte,
USA 2012, übersetzt von Herbert Speckner
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letzte Bearbeitung dieses Artikels am 2. August
2024
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