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Das Ende
der Auerbacher Befestigung
Am 25. April 1867 fasste der Rat der Stadt
Auerbach einen folgenschweren Beschluss: Zwei der ehemals drei Stadttore sollten
abgerissen werden. Damit war das endgültige Aus für die mittelalterliche
Befestigungsanlage gekommen, welche die Bürger Jahrhunderte vorher unter sicher
großen Anstrengungen und Opfern errichtet hatten.
„Auf drei Dinge waren die Auerbacher Bürger vor Alters besonders stolz: auf
ihren stattlichen Kirchthurm, auf ihr prächtiges Glockengeläute und auf ihre
wehrhafte Stadtbefestigung.“ Mit diesen Worten beginnt die ausführliche
Darstellung der mittelalterlichen Befestigungsanlage der Stadt Auerbach bei
Joseph Köstler. (1, Seite 19)
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Kirchturm
und Glocken
können wir noch heute bewundern,
von der Wehranlage
aber sind uns
- auch durch obigen Ratsbeschluss -
nur mehr kümmerliche
Überreste
erhalten geblieben.
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„Es kann der Brävste nicht im Frieden leben, wenn es seinem Nachbarn nicht gefällt“,
so sagt der Volksmund. Dies gilt sicher auch für die menschlichen Ansiedlungen
vom kleinsten Dorf bis hin zum Staat. Mit anderen Worten: Die Menschen mussten
sich und ihre Habe von jeher gegen feindliche Zugriffe schützen. Zur Vorbeugung
entwickelten unsere Vorfahren im Laufe der Geschichte verschiedene und immer ausgefeiltere Formen von Befestigungsanlagen, wie ein kurzer Streifzug in die
Entstehung und das Wachsen der Auerbacher Befestigungsanlage zeigt.
Die Marktbefestigung
Nach der Gründung des Benediktinerklosters
Michelfeld durch den hl. Otto im
Jahre 1119 entwickelte sich rund um die neue Abtei ein reger Marktbetrieb. Da
Abt Adalbert dies als Gefahr für seine Mönche ansah, wurde ab 1140 der Ort mit
seinen Bewohnern in das Dorf Urbach umgesiedelt. 1144 schließlich erfolgte dann
auch die Markterhebung Auerbachs.
Im Mittelalter hatten nur Städte das Recht auf Errichtung von Mauern und Türmen.
Die Bewohner des neuen Marktes Auerbach mussten somit auf eine andere Weise
ihrem Schutzbedürfnis Rechnung tragen: Sie umgaben den Ort mit einem breiten
und tiefen Graben, häuften das ausgehobene Erdreich am Rande zu einem Wall an,
umzäunten den inneren Grabenrand mit langen Pfählen, und schon war die
„Festung“ fertig. Wenn dieser erste Befestigungsgraben auch nur ca. 8 m
breit und etwa ebenso tief war, konnte er mögliche Angreifer doch zumindest
aufhalten. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass die Bewaffnung in dieser
Zeit ja nur aus Pfeil und Bogen sowie Lanzen bestand.
Die Westgrenze des Marktortes ist etwa an der Stelle des heutigen Rathauses zu
suchen, seinen ungefähren Umfang habe ich grün eingezeichnet. Rot ist die uralte
romanische Burg markiert, die außerhalb der Marktsiedlung stand.
Die Stadtbefestigung
Wohl im Jahre 1314 erhob König
Ludwig der Bayer Auerbach zur Stadt. Damit
war auch das Recht verbunden, eine Bewehrung mit Mauern, Türmen und Toren
anzulegen.
1313 besiegte Herzog Ludwig
bei Gammelsdorf (am Lech)
seinen Vetter Friedrich
den Schönen
aus dem Hause Habsburg.
In dieser für Ludwig wichtigen Schlacht
waren auch Auerbacher dabei.
Zum
Dank dafür erhob der spätere Kaiser
den Markt im Jahr danach zur Stadt.
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Die nunmehrigen „Bürger“ bauten die vorhandene Befestigung
weiter aus. Der schon vorhandene Graben konnte allerdings nur zum Teil verwendet
werden, da durch das Anwachsen der Bevölkerung eine Erweiterung um praktisch
den ganzen Unteren Markt dazugekommen und somit ein wesentlich größerer
Bereich zu schützen war.
Erst etwa um 1460, also einige Jahrzehnte nach den Hussitenkriegen, war die
Befestigungsanlage der Stadt Auerbach endgültig fertig gestellt. Die Stadt muss
damals im 15. Jahrhundert schon einen imposanten und für mögliche Feinde
uneinnehmbaren Eindruck gemacht haben, denn hinter dem tiefen und breiten
Graben, über den vorderen Mauerring und die freie Fläche der Zwinger ragten
aus der hinteren Mauer über zehn Türme und drei mächtige Tore. Aus den Schießscharten
reckten die großen „Kartaunen“, wie man damals die Geschütze nannte,
drohend ihre Feuerschlünde, und auf den Wehrgängen und in den Zwingern übten
sich die Bürger für den Verteidigungsfall.
„Schon von ferne verkündete die
Stadt mit ihren stattlichen Mauern, Thürmen und Häusern den Wohlstand ihrer
Bürger“,
schreibt Köstler über diese Zeit. Der Merianstich um 1642
beweist dies eindrucksvoll.
Der Verfall der Befestigungsanlage
Der Unterhalt und die ständige Instandsetzung von Toren, Türmen und Mauern
kostete natürlich jährlich viel Geld. Die Bedeutung der gesamten
Befestigungsanlage war zudem durch die ständige Weiterentwicklung der Kriegsführung
mit immer moderneren und weiterreichenden Waffen stark gesunken. Die Regierung
verbot schließlich 1795, für den Erhalt der Wehranlagen weiter Geld
auszugeben, ja sie regte sogar deren Verkauf an. Der Rat veräußerte nach anfänglichem
Zögern nach und nach die gesamte Befestigungsanlage, für deren Errichtung die
Auerbacher einst sehr viele Opfer gebracht hatten, und auf die sie mit Recht so
stolz gewesen waren. Die Stadtmauertürme wurden so vor
ca. 200 Jahren auf
Anraten der Regierung vom damaligen Bürgermeister
an die Meistbietenden versteigert.
Die neuen Besitzer
ließen die Werke ihrer Vorfahren
entweder schön langsam verfallen,
um die
Grundstücke anderweitig
nutzen zu können, oder
sie rissen sie einfach ab,
um
die so gewonnenen Steine
zur Errichtung neuer Gebäude zu verwenden.
Der Vollhannturm oder Weiße Turm
(Zwingergasse 3) steht noch,
aber in einem erbärmlichen Zustand.
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Stadtmauer, Stadtgraben, Zwinger und Rondelle wurden in einzelne Abschnitte
aufgeteilt und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts an
Privatleute verkauft.
Das Ende der Stadttore
Die drei Tore blieben zunächst noch in städtischem Besitz erhalten. Doch
auch ihr Ende rückte unaufhaltsam näher, bis es schließlich zu jenem oben
genannten folgenschweren Beschluss am 25. April des Jahres 1867 kam. Im Protokollbuch
steht über jene Sitzung: „Nach vorgenommener Untersuchung des Unteren
Stadtthores hat man sich die Überzeugung verschafft, dass dasselbe einer
bedeutenden Reparatur unterzogen werden müßte, welches einen namhaften
Kostenaufwand erfordern würde.
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Aus diesem Grunde beschließt
daher der
Magistrat
nach reiflicher Überlegung
einstimmig, dass dieses Thor
auf Abbruch
verkauft,
das darauf haftende Gemeinderecht
eingezogen, der an dem Thore
befindliche Anbau aber,
in welchem zur Zeit
der Flurenwächter wohnt,
behalten
werde. |
Nach diesem Abbruch, dessen Bedingungen noch durch das Gremium der
Gemeindebevollmächtigten und der hohen Curatelbehörden (d.s. Aufsichtsstellen
des Bezirksamtes und der Provinzialverwaltung) näher festgestellt werden, soll
mit dem dermaligen Besitzer des Mittleren Thores, dem Taglöhner Johann Kirzdörfer
dahier, in Unterhandlungen getreten werden, welchem dann oben genannter Anbau am
Unteren Thore, auf welchen der selbe sein Gemeinderecht ziehen könnte,
abgetreten, wogegen er sein Mittleres Thor abbrechen müßte.“ (2)
Die Aufsichtsbehörden erhoben keinen Widerspruch und der Beseitigung der beiden
alterwürdigen Stadttore stand damit nichts mehr im Wege. Binnen kurzer Zeit
waren das Untere oder Bamberger Tor und das Mittlere oder Nürnberger Tor
abgerissen.
Das Obere oder Amberger Tor hatte zwar diese Aktion überstanden, doch war es
auch schon gezeichnet: Bei einem Brand im Jahre 1802 war die äußere Sicherung
des Vorwerks arg in Mitleidenschaft gezogen, abgebrochen und der Platz
eingeebnet worden. Beim großen Stadtbrand vom 17. Juni 1868, dem über 100
Wohnhäuser und ca. 150 Nebengebäude zum Opfer fielen, wurde auch das Obere Tor
ein Raub der Flammen.
Binnen zweier Jahre verschwanden so die drei einstmals prächtigen Tore unserer
Stadt für immer; nur mehr Zeichnungen und Bilder erinnern uns an ihre einstige
Existenz und an den Stolz unserer Vorfahren, die sicher mit großem Einsatz und
wohl auch unter großen Opfern die Befestigungsanlage errichtet hatten.
Nachruf
Mit dem allmählichen und dann endgültigen Verfall der mittelalterlichen Befestigungsanlage
der Stadt Auerbach ging wohl auch so manches idyllische Bild verloren, wie
Joseph Köstler treffend schreibt: „O wie einsam und - dreckig war es 'hinter
der Mauer'. Aus jedem Haus lief die Jauche heraus und bildete bräunliche Seen,
in denen gefräßige Enten manchen Leckerbissen fanden. Wägen und Pflüge
hemmten die Passage, Kakteen dufteten an allen Ecken und Enden. Für zerbrochene
Häfen, Krüge und Ofenkacheln war hinter der Mauer die bequemste Ruhestatt. Es
lagen aber noch viel feinere Dinge da: hier ein verrecktes Schweinlein, dort
eine tote Katze, in jener Ecke drei vergiftete Ratten. ...
Anständige Leute mieden deshalb den Weg hinter die Mauer; um so lieber gab sich
dort das lichtscheue Gesindel in der Dämmerung ein Stelldichein, auch manches
Liebesdrama hat sich hier angesponnen.
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Die hölzernen Wehrwege
dienten der lieben Nachbarschaft
zur Friedenszeit
als
willkommener Lagerplatz
für ihre Streustecken,
die Tuchmacher hatten
dort oben
ihre Tuchrahmen
angerichtet, die Seiler drehten
dort unter regensicherem Dache
ihre Schnüre und Seile.
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An schönen Frühlingstagen entschlüpfte mancher
Schuster und Schneider der dumpfigen Werkstatt, um in der luftigen, freien Höhe
des wackligen Wehrgangs einige Stunden seines Handwerks zu warten. Unter dem
Wehrgang lagerte die Streu des lieben Viehes und das Werkholz des Wagners und
Drechslers. - Zum Wäschetrocknen waren die Wehrgänge besonders geeignet und
manche Maid bildete sich ein, sie seien eigens zu diesem Zwecke errichtet
worden. An den morschen Balken und Stiegen turnte der edle Nachwuchs der mündigen
Bürgerschaft und übte sich im Springen und Werfen. - Unter den Balken und im
Gemäuer hauste der blutdürstige Iltis, und auch die harmlose Fledermaus fand
in den Sparren des Dachgestühls ein sicheres Asyl.“ (1, Seite 37 f)
Vor
einigen Jahren wurden an den Plätzen der ehemaligen Befestigung Hinweistafeln
angebracht.
Ob wir heute bei einem Rundgang über die Stellen der
ehemaligen Auerbacher Befestigungsanlage etwas von deren einstiger Bedeutung und
von der geschilderten "Idylle" spüren?
verwendete Quellen
1 |
Köstler, Joseph (1849-1925), Chronik der
Stadt Auerbach, Band 16 des handgeschriebenen siebenundzwanzigbändigen
Werkes, Lagerort Rathaus der Stadt Auerbach i.d.OPf. |
2 |
Ratsprotokollbuch der Stadt Auerbach, anno 1867,
Lagerort Stadtarchiv Auerbach |
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Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
dass ich so traurig bin.
Ein Märchen aus uralten Zeiten das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Text Heinrich Heine
(1799-1856)
Melodie Friedrich Silcher
(1789-1860)
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letzte Bearbeitung dieses Artikels am 11.
März 2011
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können
Sie mich hier oder unter 09643 683 erreichen.
Über Anregungen usw. freue ich mich.
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